Erlkönigin

„Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist die Bauherrin mit dem Canon-Kind;
Sie hat den Fotorucksack wohl in dem Arm,
Sie hört Billy Bragg und ihr ist warm. -„


Was für ein Elendswetter heute abend! Und doch konnte ich mir den Höllenritt in die hessische Einöde nicht verkneifen. Zu groß war die Neugier auf die THZ und die heutigen Arbeiten. Und was sah ich nach meiner Ankunft als erstes? Wir haben wieder einen Parkplatz vor dem Haus! Das wird die Nachbarn freuen. Offensichtlich hat sich jemand erbarmt und den Aushub rechts vom Eingang wieder eingestampft. Jetzt ist alles eben und befahrbar. Hervorragend!

Im Haus selbst war es natürlich stockdunkel – bis ich nach längerer Orientierungsphase die Baulampe und eine Kabeltrommel fand. Nachdem wir gestern abend ja alles leer und aufgeräumt zurückgelassen hatten, sah es heute so richtig nach Schwerstarbeit aus.

„Mein Canon, was birgst du so bang dein Gesicht? –
Siehst, Bauherrin, du die Arbeit des Elektrikers nicht?
Der Elektriker mit Steckdos‘ und Zange (Kneif-!)? –
Mein Canon, es ist ein Nebelstreif. -„

Man fasst es nicht, aber es gab Spuren elektrifizierenden Schaffens. Es muss jemand da gewesen sein von der Elektrofirma. Ich fand auf dem Schaltschrank, der in der Küche stand, einen Aufkleber mit deren Firmenanschrift. Verständlicherweise brauchte ich ein paar Minuten, um mich von diesem Schock zu erholen.


Bei weiterer Inaugenscheinnahme der Umgebung stieß ich auf eine Kiste mit allerlei Klemmen, Schaltern und ähnlichem. Es war unglaublich, aber offensichtlich, hatte sich tatsächlich heute ein Elektriker im Haus befunden!

„Du liebes Canon, komm geh mit mir!
Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;
Manch bunte Lüsterklemmen sind an dem Strand;
Meine Werkzeugkist‘ hat manch gülden Gewand.“

Angesichts all der tollen Motive war erstmal ein Objektivwechsel angesagt. Mit dem Makro fotografierte ich mich lustig durch die Kisten und Kästen, Schalter und Klemmen, Stecker und Kabel.


Das Highlight war allerdings die THZ. Ein Teil stand bereits im Technikraum, ein anderer im Esszimmer. An der Leiter hingen Lieferschein und Auftrag zum Trocknen. Offensichtlich hatte es hier bereits heute morgen geregnet.

„Meine Bauherrin, meine Bauherrin, und hörest du nicht.
Was der Elektriker mir leise verspricht? –
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Canon-Kind!
In dürren Motiven säuselt der Wind. -„

Um es nicht zu vergessen: Wir haben jetzt auch eine ganz tolle Außentreppe. Aus Europaletten. Scheint allgemeiner Trend in Neubaugebieten zu sein. Zumindest in unserem. Die Parkplatzklau-Nachbarn haben auch eine. Praktisch, schick flexibel. Als Dauerlösung scheint sie mir jedoch nicht recht geeignet. Das mag aber auch am unpassenden Schuhwerk gelegen haben.

„Willst, feine Kamera, du mit mir gehn?
Meine Kabel sollen Modell dir stehn;
Meine Lüsterklemmen führen den nächtlichen Reihn
und wiegen und tanzen und singen dich ein.“


Jedenfalls schlich ich mit der Kamera durchs Haus und geriet ob der Vielzahl an herrlichen Makro-Motiven ganz aus dem Häuschen. Und das zusätzlich zu der „Ein Elektriker war hier! Hier!!!“-Euphorie brachte mich das in ziemlich enthusiastische Stimmung.


Im Technikraum entdeckte ich dann allerdings noch skandalöserweise drei Rippchen Aldi-Kinder-Schokolade (die ja bekanntermaßen wesentlich leckerer als das Original ist, aber lassen wir das…). In der Fastenzeit! Sie lagen in einem Kasten mit Schaltern. Also offensichtlich Eigentum des Elektrikers! Das passt ja wieder mal ins Bild!!!

„Meine Bauherrin, meine Bauherrin, und siehst du nicht dort
Elektrikers Schaltschrank am düstern Ort? –
Meine Canon, meine Canon, ich seh es genau;
Es scheinen die Gipskartonplatten so grau. -„

Im Technikraum war es ziemlich überfüllt. Ich hoffe inständig, dass sie nicht wieder den klaustrophobischen Elektriker aus der ersten Woche geschickt haben. Der wird dann morgen wohl auf Nimmerwiedersehen verschwunden sein.

„‚Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.'“ –
Meine Bauherrin, meine Bauherrin, jetzt fasst er mich an!
Elektriker hat mir ein Leids getan! -„


Zum Schluss der absolute Knaller: Im Technikraum fand ich das Telekomkabel! Entweder waren die Telekomiker heute zufällig auch vor Ort und hatten es durchs Leerrohr gezogen, oder aber – was mir wesentlich wahrscheinlicher erscheint – mein Lieblingsmonteur hat es verlegt, um morgen das Loch im Estrich schließen zu können, ohne weitere Probleme zu verursachen.

„Der Bauherrin grauset’s, sie rennet geschwind,
Sie hält in den Armen das ächzende Canon-Kind.
Erreicht den Fiat mit Mühe und Not;
In ihren Armen der Akku war tot.“
– Johann Wolfgang von Goethe (naja – so ungefähr jedenfalls…)

3 Kommentare

  1. Wer sich bisher gefragt hat warum es sich hier um einen „over-blog“ handelt findet hier die Antwort. Fehlt noch der Link zu einer von der Bauherrschft gesungenen Version.

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