An manchen Tagen scheint der Wahnsinn Methode zu haben

Heute war so ein Tag. Fand ich zumindest. Der erste Blick aus dem Fenster setzte mich bereits darüber in Kenntnis, dass es aus Kübeln schüttete. Und das offensichtlich nicht erst seit zwei Minuten. Und es regnete und regnete. Meine Laufstimmung sank gen Null.

Kurz nach zehn Uhr hörte es dann plötzlich auf. Bis dahin hatte ich den Bauherren allerdings schon ziemlich in den Wahnsinn getrieben. Freudestrahlend verkündete er das Ende des Regens und schloss ein „Los! Laufen! Raus!“ an.

Tat ich dann auch. Allerdings war das ein seltsamer Lauf. Er begann richtig super – mal abgesehen von den aufgeweichten, schlammigen Waldrandpassagen – und endete ziemlich doof.

Gleich auf dem schönsten Stück des Eichhörnchenwegs blieb ich wie angewurzelt stehen. Das gleiche galt für das Reh, das mir direkt gegenüberstand. Wir starrten uns gegenseitig an, es kam zwei Schritte auf mich zu und wirkte immer noch ganz freundlich. Dann drehte es sich um und schlenderte gemächlich wieder in den Wald hinein. Wow! Als es außer Sichtweite war, lief ich weiter.

Ich beobachtete noch einen Graureiher, der vom Bach aus startete. Der „Bach“ war letzte Woche noch ein Wadi gewesen. Hach, ein Reiher! Kurz danach „reiherte“ ich selbst, weil mir irgendein Tier in den Hals flog. Es lebte noch. Ich spürte es genau. Eeeekeeelhaaaft! Spuckend und keuchend lief ich weiter, aber das Tier verschwand einfach nicht. Ich stellte mir vor, wie ein fieses Insekt in meiner Speiseröhre herumspazierte. Mir wurde schlecht. Als ich mich gurgelnd am Wegesrand vornüberbeugte, sah ich den Jäger, der mich neugierig beobachtete. Na, toll…

Nix wie weg. Das Tier war allerdings immer noch irgendwo da drin. Der Waldrand war matschig, das Tier rebellierte, ich bog wieder in den Wald ein. Hinter mir fielen die ersten Schüsse. Ich hoffte inständig, dass es nicht mein Reh von eben erwischt hatte. Bei der Gelegenheit: Ich plädiere übrigens dafür, „Bambi“ erst ab 18 Jahren freizugeben. Max ist sicher noch heute traumatisiert von der Stelle, als Bambis Mutter erschossen wird. Das ist nichts für Kinder! Aber das nur mal so am Rande…

Während ich durch den Wald lief, hörte ich weitere Schüsse. Diese Jäger… „Grobe Menschen“ hätte der Wolfitekt kopfschüttelnd gesagt. Und man weiß ja auch nie genau, ob sie brav beim letzten Sehtest waren. In meinem Kopf hörte ich eine Jägerstimme sagen: „Aaaah! Da!!! Das dicke schwarze Reh! Es muss sehr alt oder krank sein, so langsam, wie es sich fortbewegt. Ich werde es erlösen…“ Nix wie weg, bevor irgendein tierlieber Blödmann mir den finalen Blattschuss verpasst, um meine Qualen zu beenden.

Ich kam am Ende – vier WP-Punkte später – mit aufgeweichten Füßen, abgehetzt und verschwitzt zu Hause an, in meinen Innerein kämpfte das Tier gerade einen verzweifelten, aber aussichtlosen Kampf gegen meine Magensäure. Geschafft!

Im Anschluss – es begann wieder zu regnen… – begab ich mich an eine Aufgabe, die bereits seit zwei Wochen überfällig war: die Reparatur von Max‘ Winterjacke. Er war im Schweinsgalopp mit der Tasche am Treppengeländer eingefädelt, sodass diese komplett abgerissen war. Natürlich nicht in der Naht, sondern gleich daneben. Außerdem lag da noch die Jacke einer Kollegin, der ich leichtsinnigerweise zugesagt hatte, bei nächster Gelegenheit den Riss im Futter zu nähen.

Die Nähmaschine wurde aufgebaut, die Jacke der Kollegin war flott abgefertig. Für Max Jacke schnitt ich einen Streifen Stoff zu, um den Riss zu unterlegen. Ab da ging nichts mehr. Der Oberfaden riss alle drei Stiche. Nachdem mich das Zerlegen und Entfusseln der halben Maschine und zahllose, immer entnervtere Versuche, eine Naht hinzubekommen, an der Rand der Verzweiflung getrieben hatten, gab ich auf und schloss den Riss per Hand. Blöde Maschine! Drecksding!

Überflüssig zu erwähnen, dass ich auf dem Weg nach Mainz dann später zwanzig Minuten in einer Schlange vor der Zapfsäule einer Tankstelle verbrachte. Immerhin ist das Auto jetzt frisch betankt und Max befindet sich wieder in seinem Zimmer. Und die Weihnachtsessensentscheidung ist irgendwann zwischendurch auch gefallen. Jedenfalls der Teil, der Hauptgang und Dessert betrifft. Und jetzt hoffe ich mal, dass der Rest des Abends glatt läuft. Das Restprogramm – Tortellini und „Tatort“ – scheint keine unlösbare Aufgabe zu sein.

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