Die Rückkehr der Normalität

Wie schön wäre es, wenn zwischendurch mal wieder alles „normal“ laufen würde. Langweilig, öde, gleichmäßig – von mir aus auch gleichmäßig langweilig. Tut es aber nicht.

Im Büro herrscht gerade alles andere als Normalität. Es Chaos zu nennen, wäre stark untertrieben. Es ist mehr wie das Gefühl, das den einzigen Erwachsenen auf einem total unorganisierten Kindergeburtstag mit viel zu vielen Kindern bei viel zu schlechtem Wetter in einer viel zu kleinen Wohnung beschleicht.

Ich muss zwar nur noch drei Tage durchhalten, um meine letzten vier Urlaubstage für dieses Jahr mit letzter Not zu erreichen, aber danach ist es wahrscheinlich auch nicht besser. Der Wahnsinn hat Methode. Großraumbüros voller Frauen sollten eigentlich verboten werden. Prinzipiell ein Fall für Amnesty. Da bleibt wirklich jeder Rest menschlicher Würde auf der Strecke.

Gut zu wissen, dass es anderen Menschen noch schlechter geht: „Liebe Angela Merkel…“: „… aus Ihrer Umgebung höre ich, dass Sie zurzeit eine 120-Stunden-Arbeitswoche haben und höchstens 5 Stunden schlafen“, beginnt mein Freund F.J. seine Ode an die Freudlose. Da fragt sich doch jeder Mensch, der irgendwann im Laufe seines Lebens Grundschulkenntnisse in Addition und Subtraktion erworben hat, was das Merkel in den restlichen 43 Stunden so treibt. Außer natürlich Steiff-Bären an Sarkotzi verschenken.

Anschließend fügt er extrem kämpferisch, dafür aber sprachlich leider völlig Banane hinzu: „Schlafentzug ist nach den internationalen Menschenrechten Folter.“ Wieso erst ’nach‘ den Menschenrechten? Schlafentzug scheint mir doch deutlich schlimmer zu sein.

„Kein normaler Mensch hält das aus. Brüssel hin und her im Jet. Euro retten, Griechenland retten. Sarkozy Tag und Nacht am Telefon. Seehofer im Nacken. Gaddafis Tod bewerten. Abends bei der Jungen Union, um die Jugend zu begeistern. Dann bei der Frauenunion, um für die Rechte der Frauen zu kämpfen.“ Da kann ich nur sagen: Es gibt Schlimmeres. Nämlich: Mainz hin und her im Punto. Hugo retten, Venezuela retten. Nervige Kunden Tag und Nacht am Telefon. Gut… Seehofer habe ich nicht im Nacken. Das klingt wirklich scheußlich. Und ein Abend mit der Jungen Union wird mir hoffentlich auch auf ewig erspart bleiben, aber Gaddafis Tod musste ich auch erstmal ‚bewerten‘.

Immerhin haben einige europäische Regierungschefs ihren besten Freund und Förderer verloren! Da kann man nicht so einfach zur Tagesordnung übergehen. Wer finanziert jetzt Sarkotzis Wahlkampf?! Wer feiert mit Berlusconi debile Bunga-Bunga-Parties?! Und was ist aus den tollen Kostümen und Phantasieuniformen geworden?! Ich meine, das bringt einen schon zum Nachdenken…

Was ich allerdings echt unfair finde, ist, dass sich eine Person wie das Merkel für Frauenrechte einsetzen muss. Jemand, der sich so weit von allem, das irgendwie auch nur halbwegs als „weiblich“ bezeichnet werden kann, entfernt hat, darf doch nun wirklich nicht zu derart ‚artfremdem‘ Tun gezwungen werden. Abgesehen davon: „Frauenunion“… Geht es schlimmer? Immerhin schiebt F.J. nach: „Liebe Angela Merkel, was für eine Frau sind Sie?“ Gute Frage!

„Sie joggen nicht, Sie halten sich nicht fit mit Pilates-Programmen. Sie machen auch keine Bürogymnastik. Wie schaffen Sie den Alltag?“ Häh?! Es ist doch wesentlich schwieriger, MIT Jogging, Pilates und Bürogymnastik den Alltag zu bewältigen. Raffe ich irgendwie nicht… „Sie verdienen 280.000 Euro im Jahr. Dafür würde ein Investmentbanker nicht mal aufstehen.“ Ich dagegen würde dafür noch zwei Stunden früher aufstehen, laufen gehen, mit Sarkotzi telefonieren und Seehofer aus meinem Nacken prügeln. Aber das zählt wahrscheinlich nicht. Und ich vermute, die Nebeneinkünfte sind auch nicht eingerechnet…

„Wissen Sie, warum ich Sie mag, liebe Kanzlerin?“ An dieser Stelle wird mir jetzt zum dritten Mal übel… „Sie haben keinen Schnupfen. Sie haben eine Pferdenatur. Sie sind kein Hypochonder, Sie wirft kein Luftzug um. Wenn es zieht, kriegen Sie keine Schniefnase.“ ‚Übel‘ ist gar kein Ausdruck! „Ich mag diese Kanzlerin. Manche mögen sie nicht. Ich mag Angela.“ Genug ist genug! Ich mag diesen F.J. Manche mögen ihn nicht. Ich mag F.J.

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