„Talking with the taxman about poetry“

„Das ist Deutschland hier!“ Das waren doch neulich noch die empörten Worte, mit denen unser sprachgewandter Außenminister das Ansinnen eines ausländischen Journalisten auf ein Interview in Englisch ablehnte, oder? Wozu auch als Außenminister eine Fremdsprache beherrschen? Wer das kritisiert, sollte lieber Schnee schippen gehen! Oder sich sonstwie nützlich machen.

Und was tut er nun, der Westerwelpe? Er hält in Berlin eine flammende Eröffnungsrede für die Kampagne „Deutsch – Sprache der Ideen“. Auf Deutsch natürlich. Klar. Dabei schwärmt er von Worten wie „Abendrot. Blütenstaub. Alpenglühen.“ Dabei hielt ich bisher „Ich werde den Koalitionsvertrag nur dann unterzeichnen, wenn darin ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem vereinbart worden ist.“ für seine größte sprachliche Leistung. So kann man sich täuschen!

In Wirklichkeit ist er ein großer Poet. Mindestens so einer wie sein selbsternannter Bruder F. J. Wagner. „Unsere Sprache kann sehr blumig sein“, fährt er fort. Kann. Ja. Kann. „Kopfpauschale“ zum Beispiel. Auch so ein wahnsinnig blumiges Wort. Oder „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“! Da sprießt ja förmlich ein Frühblüher aus jedem Buchstaben.

Und von welch poetischer Schönheit ist doch ein Wort wie „Leistungsträger“! Oder gar ein Satz wie „Leistung muss sich wieder lohnen!“ Da hat wirklich jemand verstanden, was das Herausragende unserer herrlichen Muttersprache ist. Sätze wie in Styropor gemeißelt. Toll!
Letztendlich ist es schlimm, tatenlos mitansehen zu müssen, wie ein stadtbekannter Sprachstraftäter sich ungehemmt weiter an etwas Schönem wie Sprache vergehen darf. Seine Eröffnungsrede für „Deutsch – Sprache der Ideen“ erinnert letztendlich vorrangig an einen Braggschen Albumtitel: „Talking with the taxman about poetry“. Die deutsche Redewendung „Den Bock zum Gärtner machen“ gewinnt eindeutig an Aktualität.

Hässliche Verbalvergewaltigungen wie „anstrengungsloser Wohlstand“ oder „Das ist Deutschland hier!“ kommen einem unwillkürlich in den Sinn. Andererseits: Weiß jemand, der vermutlich Marianne-Rosenberg-Texte für große Dichtkunst und Fondsmanager für Leistungsträger seines selbsterschaffenen Takka-tukka-Lands hält, wirklich wovon er da spricht? Wahrscheinlich nicht.

Der „Sprecher der schweigenden Mehrheit“ schafft es aber immerhin, zu verdeutlichen, was das Gute an der schweigenden Mehrheit ist. Nämlich, dass sie schweigt. Und das bleibt hoffentlich auch noch lange so. Halt bloß den Mund, schweigende Mehrheit! Schnauze!!!

„God bless the civil service
The nations saving grace
While we expect democracy
They’re laughing in our face
And although our cries get louder
The laughter gets louder still
Above the sound of ideologies clashing“
– Billy Bragg

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