Helden für die Tonne

Manchmal kann ein Blick ins Internet gefährlich sein. Sehr gefährlich. Für die eigene geistige Gesundheit. Und das Nervenkostüm. Heute ist so ein Tag. Definitiv.

Beginnen wir mal mit der neuen Biathlon-Heiligen Magdalena Neuner. Hier schon mal die Forderung nach Seligsprechung von Eurosports Sigi Heinrich: „Lenas größte Leistung“

In salbungsvollen Worten wird dem gemeinen Sofasportler ein Idol verkauft. Es wird nichts hinterfragt, es wird nur gejubelt. Wieviel sportliche Erfolge wirklich wert sind, sollte mittlerweile auch der Letzte gemerkt haben. Und wie lang ihre Halbwertszeit ist, ebenfalls.
Für wie dumm wird der Fernsehzuschauer eigentlich gehalten, wenn in diesem Zusammenhang moralische Begriffe wie Mut, Selbstlosigkeit, Verzicht und Größe benutzt, ja eigentlich mißbraucht werden? Wer soll diesen Unsinn glauben?!

„Ich verneige mich vor Magdalena Neuner, einer 23-jährigen Sportlerin, die eine unvorstellbare Größe bewiesen hat. Sie hat auch mein Herz getroffen.“ Tut das weh, Sigi Heinrich? Hat sie nicht vielleicht deinen Verstand „getroffen“ – und nicht dein Herz? Kopfschuss statt Blattschuss?

Viel interessanter fände ich, wenn mal jemand intensiver nachfragen würde, statt ein biblisches Hohelied anzustimmen. Wieso verkündete Frau Neuner eigentlich unmittelbar nach dem Rennen, dass sie sich jetzt wahnsinnig auf die Staffel freue? War das, bevor die kanadischen „Helfer“ ihr den Tag verdarben und sie das in bester Radsportler-Manier öffentlich machte? War die Entscheidung, in der Staffel nicht anzutreten, vielleicht gar keine so selbstlose oder gar freiwillige?

Alles nur für Martina Beck? Martina Beck, die noch Glagow hieß, als sie entrüstet mit den Worten „Ich kenne keine Wiener Blutbank!“ dazu beitrug, den ARD-Antwerpes, der sich neuerdings im feschen Clark-Kent-Look gefällt, aus Quotenangst zur dümmsten Aktion seiner Laufbahn zu treiben, nämlich von Hajo Seppelt eine öffentliche Entschuldigung für dessen „haltlose“ Verdächtigungen zu verlangen?
Für mich wirft diese seltsame Entscheidung jedenfalls deutlich mehr Fragen auf, als sie Grund zur Heldenverehrung bietet.
Und als wäre das alles noch nicht eklig genug, richtet sich die heutige „Post von Wagner“ an unseren herrlichen Außenminister und Vizekanzler Guido Westerwelle.
„Natürlich haben Sie recht, dass eine Krankenschwester mehr verdienen muss als eine Hartz-IV-Bezieherin“, stimmt der lustige Dyastima-Seitenscheitel von „Bild“ ein Loblied auf den Westerwelpen an. Die Schlussfolgerung ist allerdings wieder mal die falsche. Das Mißverhältnis ist nicht darauf zurückzuführen, dass die Hartz-IV-Sätze zu hoch sind, Herr Wagner. Die Krankenschwester ist einfach gnadenlos unterbezahlt. Dagegen sollte wirklich dringend einmal etwas unternommen werden, weil es tatsächlich skandalös ist, dass in dieser Gesellschaft lächerliche Briefeschreiber in Boulevardblättchen, die nichts als billige Polemik betreiben, am Monatsende ein Vielfaches des Gehalts einer hart arbeitenden Krankenschwester im Schichtdienst auf dem Konto haben. Schon mal darüber nachgedacht?

Und Westerwelle selbst? Wie rechtfertigt der sein Einkommen und seine Bedeutung für die Allgemeinheit? Ach… Muss er ja nicht… Das tun Sie ja schon, Herr Wagner:

„Sie kämpfen. Sie wurden der beste Redner im Bundestag. Ich mag Sie. Sie haben etwas Heldenhaftes. Sie sind mit der Diskriminierung der Schwulen fertig geworden. Sie sagen klare Sätze. Sie sind mein Bruder.“


Mir ist schlecht! Was für ein Glanztag für dümmlich-pathetischen Billig-Journalismus! Glückwunsch, die Herren…

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