Langer Samstag

Schön, wenn man eine Stunde geschenkt bekommt, die man auch wirklich brauchen kann. Gestern hätte der Tag allerdings ruhig noch ein paar Stunden mehr haben können. Bereits in aller Frühe schleppte ich die Nähmaschine an den Esstisch und legte los.

Nicht, dass das Material für Max‘ Geburtstagsgeschenk nicht schon tagelang bereit gelegen hätte, aber irgendwie bin ich immer dann am besten, wenn ich unter Zeitdruck stehe. So klingt das positiv formuliert.

Die Kehrseite: Ich warte stets bis kurz vor knapp. So etwa bis kurz nach dem dritten Angstschweißausbruch, bevor ich etwas erledige.

Wie auch immer: Es hat ja alles noch geklappt. Puh! Wieso ein 22Jähriger sich ein Einhornkissen zum Geburtstag wünscht? Auch eine durchaus berechtigte Frage. Ergab sich so, nachdem mir mitgeteilt wurde, dass der Herr einige Kissen benötige, die man ihm gerne zum Geburtstag schenken können.

Auf die Nachfrage „Farbe? Anzahl? Größe? Form?“ kam die Antwort: „Grau. Vier oder fünf. Groß. Einhörner.“

Was als Scherz gemeint war, nahm Mutti als Herausforderung an. Ein Einhorn kann man schließlich immer brauchen. Ich überlegte, was an Material benötigt werden würde, bastelte mir ein Schnittmuster, besorgte die Stoffe in Idstein und Augen, Mähne und Füllwatte bei „Listmann“ in Mainz und legte alles auf die Esszimmerbank.

Da lag es dann, blockierte zwei Sitzplätze und fing sich gemeinsam mit mir tagelang – je nach aktueller Stimmungslage des Gatten – wahlweise mahnende oder auffordernde Blicke ein. Ich vermute, die Redensart vom „auf die lange Bank schieben“ entstammt einer ähnlichen Situation.

Jedenfalls nähte ich das Ding dann gestern im Morgengrauen – und bis zum Mittag – zusammen. Am Ende hätte ich es am liebsten behalten. Irgendwie ist es „voll süüüß!“ geworden. Und seine Hufe bestehen aus den Resten meiner verschlissenen Lieblings-Fleecejacke, die damit überraschenderweise dem Altkleidersack nochmal von der Schippe gesprungen ist.

Für das Horn – man machte mich darauf aufmerksam, dass es keinesfalls weiß, sondern elfenbeinfarben („El-fen-bein!!!“) zu sein hat – musste eine alte Wanderhose dran glauben. Wieso hatte ich überhaupt eine in dieser für Kleidungsstücke ausnehmend hässlichen Farbe, in der man mit Hose aussieht, als trüge man gar keine?! Egal. Jetzt isse ja Horn, die Nicht-Hose.

Bevor ich die Ohren annähte, meinte der Gatte, das Einhorn sähe aus wie Nessie auf Kappensitzung. Mit Ohren verlor sich dieser Eindruck dann gottlob wieder etwas. Ich wollte ja schließlich kein Ady-Schmelz-Gedächtnis-Kissen nähen!

Als das Ding fertig war, stellte ich fest, dass es klüger gewesen wäre, den Kuchen vor dem Nähen zu backen, gab den Plan, zwei NY Cheesecakes herzustellen jedoch nicht auf, sondern setzte ihn unmittelbar in die Tat um. Während das Geburtstagskind und ich gemeinsam Essen gingen, kühlten sie im Kofferraum auf Betriebstemperatur ab.

Auf dem Rückweg machten wie noch an einem Bücherschrank halt. Wir fanden „Marcel“ von Pagnol, und ich drückte im Weggehen glücklich einen unschätzbaren Ratgeber aus dem Jahre 1972 an mich. Bei Gelegenheit werde ich mal die Regale auffüllen. Da müsste man nur endlich mal ausmisten…

 

4 Kommentare

  1. Und wenn Sie heiraten bekommen die Beiden ein echtes
    Einhorn!
    Das muss ein Zeichen sein – ich dachte nur Alicia liebt Einhörner….

  2. Hallo.
    Ich finde das Einhorn einfach mega gut. Gibt es da zufällig ein Schnittmuster für? Meine große wünscht sich eins und das hier wäre perfekt.
    Lg Nadine

    1. liebe nadine,
      ja. es gibt ein – selbstgebasteltes – schnittmuster. ich werde es mal raussuchen und abfotografieren. melde mich dann in den nächsten tagen =)
      manuela

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