„Zwischen den Jahren“

So nennt man wohl die Zeit von heute bis Neujahr. Klingt irgendwie nett. So nach Niemandsland. Hat etwas von der Stunde, die man Ende Oktober geschenkt bekommt (O.k. – vorher hat man sie ja verliehen, also bekommt man sie irgendwie nur wieder zurück…), und die eigentlich nicht existiert.

Ich erinnere mich, sie einmal (1986?) mit einem Freund im Auto (Käfer!) unter einer Uhr verbracht zu haben. Wir haben Musik gehört, uns unterhalten und uns dabei irgendwie unwirklich gefühlt. Nach einer Stunde war die Welt wieder da, wo sie vorher bereits war. Eine Stunde im Nichts!

Und jetzt befinden wir uns also wieder in einer Zeit, die irgendwie nicht existiert. Im vergangenen Jahr hat uns das allerdings nicht davon abgehalten, Osb- und Rigipsplatten an die Wände unseres eiskalten zukünftigen Domizils zu schrauben.

Und auch diesmal ist es nicht so, dass ich gemütlich und tatenlos auf dem Sofa rumliegen und auf 2010 warten könnte. Morgen geht es ins Büro. Urlaub „zwischen den Jahren“ ist strengstens verboten. Im Prinzip ist sogar krank werden in dieser Zeit verboten. Ziemlich streng verboten sogar.

Aber Winterpokalpunkte kann man in dieser Un-Zeit ergattern. Haben der Bauherr und ich heute auch brav getan. Er braver als ich. Er hat nämlich sein Rad in die Rolle gespannt und sogar Indoor-Punkte erradelt. Neben dem Lauf mit mir zusammen über vereiste, glatte und lebensgefährliche Feld- und Waldwege. Ob das WP-Team das wohl zu würdigen weiß?

„Zwischen den Jahren“ darf man sicher auch eklige Sachen essen. Mit Phosphaten zum Beispiel. Setzt ja nicht an. Und schadet auch nicht. Gibt es deshalb auch heute. Ganz fieses Rezept der Bauherrinnenmutter. Mit Kassler und maschinell gefertigten Röstiecken, die dann zerbröselt werden. Und eben Schmelzkäse. Total übel. Max steht furchtbar drauf. Aber macht ja nix, weil wird ja gar nicht wirklich verzehrt. In einer Zeit, die es gar nicht gibt.

Im Prinzip könnte man heute auch hässliche Sachen sagen, die dann nicht gesagt wären, peinliche Filme ansehen, die man dann niiiiieeeee gesehen hat, und z.B. zu McDoof gehen oder „Bild“ lesen oder sonstige Dinge tun, die sowieso niemand tut.

Apropos „Bild“… Apropos „Zeit, die nicht existiert“… Peter Hahne hat ja wieder mal ganz Tolles zu vermelden. Grammatikalisch feinfühlige Menschen sind wahrscheinlich bereits bei „… Vorurteile, die man im Ausland gegen uns pflegt.“ mehr als zusammengezuckt. Hegt, Peter Hahne, „hegt“ muss es heißen. Ansonsten ist die Formulierung natürlich völliger Kokolores auf dem Niveau Mosebach’scher Semantik. Aber nur weiter so…

Liest man den Kommentar trotz mehrfachen Überschreitens der persönlichen Schmerzgrenze zu Ende, wird man feststellen, dass sich irgendwo zwischen dem zweiten und dritten Übergeben folgender Satz findet: „Nein, sie sind die wahren Realisten, sie schätzen die Lage richtig ein.“ Es ist dabei die Rede von den 37 Prozent der Deutschen, die allen Ernstes der Meinung sind, dass für sie persönlich das kommende Jahr erfolgreicher verlaufen wird als das vergangene.

Hahne, mal ganz im Ernst: Wäre es vielleicht möglich, dass diese Menschen das nur denken, weil sie der Meinung sind, dass es noch schlimmer nun wirklich nicht kommen kann? Oder weil sie täglich ähnlichen Unsinn wie diesen lesen? Oder weil sie persönliche Freunde des Westerwelpen sind? Glaubst du ernsthaft, dass es sich hier um Optimisten handelt, die volles Vertrauen in die Bundesregierung haben? Oder hast du selbst schon gemerkt, wie schwachsinnig das wäre?

Gut, dass dieser Kommentar nicht wirklich existiert. Nicht „zwischen den Jahren“!!!

Da dürfen wir ungestraft wie kleine Kinder die Hände über die Augen legen und glauben, dass uns nicht sieht, was wir nicht sehen.

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