„These sore red eyes explore the room again…

… The signed pictures of film stars who stayed here in eras
That knew of no wall.
Berlin…Berlin… Berlin…Berlin…“ – Fisher-Z

Unser Urlaub begann bereits wenige Stunden nach dem freitäglichen Feierabend mit einem Zwischenstopp in „unserer“ herrlichen Hauptstadt. Der Flieger ging ab Tegel. Da haben wir kurzerhand drei Tage Berlin eingeschoben. Wir waren beide schon mal da – der Gatte dereinst auf Klassenfahrt und ich vor etwa zwanzig Jahren zu einem verlängerten Wochenende. Prinzipiell kann man da ja schon mal wieder nachschauen, was da jetzt so los ist.

Samstags morgens um 9:30 Uhr ging es los. Anreise mit der Deutschen Bahn. Und wie sich hinterher herausstellte, hatten wir gerade eine Regenpause in der überfluteten Hauptstadt erwischt. Fast hatte ich mich schon auf Katastrophentourismus eingestellt.Für Gummistiefel war allerdings kein Platz im Koffer.

Am Berliner Hauptbahnhof angekommen war die Versorgung mit dem praktischen Touri-Ticket der BVG ein Kinderspiel. Gut. Jetzt wusste jeder, das wir Touristen sind, aber egal. Die Koffer wurden im Hotel abgestellt. Und wir machten uns erstmal an die Orientierung in unserem neuen Kiez: Neukölln. Ich sage es gleich: Falls ich jemals in eine Großstadt ziehen sollte, liegt Berlin-Neukölln ganz vorne im Rennen um die Auswahl des neuen Wohnsitzes. Das ist ein Gefühl wie Mainzer Neustadt bevor sie cool wurde.

Den Abend des ersten Urlaubstags verbrachten wir – nachdem wir uns in der Nähe des Hotels für einen Abendessenstisch entschieden hatten – flanierenderweise auf dem Tempelhofer Feld und in der angrenzenden Hasenheide, bevor es zu Tisch ging. Um genau zu sein, ging es zu den „Blauen Tischen“ in der Friedelstraße in Neukölln. Eine griechischer Versuch, griechisch zu kochen. Und nicht wie sonst eine deutsche Version von griechisch zwischen kitschigen Amphoren und verstaubtem, künstlichem Weinlaub. Und Ouzo „für meine guten Freunde“.

 

Besonders der Teller Auberginenpüree als Vorspeise hatte es uns angetan – Melitsanosaláta. Und das Bot dazu war göttlich. Im Prinzip hätten es auch drei Teller davon getan. Wir wären ebenso glücklich und entspannt in die Hotelbetten gesunken. Aber wir schoben noch Rolo me kima (Hackbraten mit Feta- und Kräuterfüllung) und Juwetzi (Rinderschmortopf) hinterher. Und ein Dessert. Schokokuchen (mit einem köstlichen Hauch von Orange) und Vanilleeis. Und Minze. Und einen Espresso. Fertisch!

Da es noch hell war (Helligkeit – etwas, das uns anschließend zwei Wochen dauerhaft begleiten sollte), fuhren wir nochmal kurz einige Tourihighlights mit unserem Touri-BVG-Ticket an: Ku’damm, Gedächtniskirche, Bahnhof Zoo. Auch dass es zu regnen begann, brachte uns ‚Kinder vom Bahnhof Zoo‘ nicht aus dem Konzept.

 

Es folgten eine Hotelnacht, ein Hotelfrühstück (Diese abartige Rührei-Imitation… Immer wieder fällt man darauf herein…) und die Abholung zweier Fahrräder bei der „Fahrradstation“. Ob es daran lag, dass Sonntag war, oder ob das immer so ist, können wir nicht sagen, aber der Radladen war jetzt nicht der totale Hammer. Mein Rad war o.k., das des Gatten quietschte sich trotz der auf sein Geheiß nachgeölten Kette den kompletten Tag lustig durch die Stadt.

Wir starteten Im Regierungsviertel: Reichstag, Spreeufer, Abgeordnetenhaus. Weiter ging es zur Philharmonie. Der Gatte erinnerte sich, dass sein Lateinlehrer sich damals einer flagranten Verletzung der Aufsichtspflicht schuldig machte, indem er stundenlang Architekturfotos des Ensembles inklusive der Henry-Moore-Plastik im Teich schoss. Ich tat das gleiche. Ohne Aufsichtspflichtverletzung.

Weiter ging es im Sightseeing-Schnelldurchlauf: Kanzlerinnenamt, Schloss Bellevue, Siegessäule, Hansaviertel, russisches Ehrenmal, Brandenburger Tor.

Wir waren flott unterwegs. Am Holocaustmahnmal wurde ich von einer uniformierten Aufpasserin angemault, weil ich auf einen der Betonblöcke geklettert war, um ein Foto zu machen. Die arme Frau war offensichtlich den ganzen Tag (vermutlich zu bestenfalls Mindestlohnkonditionen) damit beschäftigt, wahlweise „Get down!“ und „Runter da!“ zu rufen und dabei öglichst böse auszusehen. Toller Job…

 

Weiter ging es mit „Unter den Linden“, dem Bücherverbrennungsdenkmal, der Hedwigskirche und dem Berliner Dom. Dann zur Museumsinsel, wo wir allerdings nur herumsaßen und einen Kaffee aus verhassten Pappbechern tranken, weil der Pergamonaltar wegen Restaurierungsarbeiten ausfiel.

Rotes Rathaus, Alexanderplatz, Weltzeituhr, Hackesche Höfe, Bernauer Straße und Gedenkstätte. Um 16 Uhr gaben wir die Räder ab und fuhren mit dem ÖPNV während eines Regenschauers zum Botanischen Garten. Dort blühte – und das war offensichtlich eine totale Sensation – gerade für drei Tage der Titanenwurz (übrigens ein „Ableger“ aus dem Frankfurter Palmengarten). Also nix wie rein!

Auch ohne den Titanenwurz ist der Botanische Garten Berlin einen Besuch wert. Wirklich schön. Und der Titanenwurz stank nicht mal wie angekündigt nach Aas. Die verschwitzten Touristen davor strömten unangenehmere Gerüche aus. Das Ding selbst war harmlos.

Anschließend ging es zurück nach Neukölln und ins „Caligari“ in der Kienitzer Straße. Absolut empfehlenswert. Wir hatten Gnocchi mit Pfifferlingen und Taleggio und Taglierini mit Zucchini und Seeteufel. Beides ausgesprochen lecker. Auch die Desserts waren solide. Und nach dem Grappa aufs Haus fielen wir nach kurzem Weg ermattet in die Betten.

 

Montags ging das Besichtigungsprogramm weiter. Wir hatten uns das Jüdische Museum ausgesucht. Und die „Topographie des Terrors“. Dazwischen bzw. unterwegs warfen wir einen kurzen Blick auf den Checkpoint Charlie. Verzichtbar. Ich jedenfalls möchte nicht jahrzehntelang damit erpressbar sein, dass es Fotos davon gibt, wie ich winkend zwischen zwei GIs mit einer amerikanische Flagge in der Hand mitten in einer deutschen Großstadt stehe.

Das Jüdische Museum dagegen war wirklich sehr beeindruckend. Absolute Empfehlung. Das betrifft die Inhalte wie die Architektur.

Bevor wir am Abend eine Verabredung hatten, war noch Zeit für einen kurzen Blick auf den Wannsee. Mit unseren tollen Tickets kein Problem.

Wir saßen bei einem Bier in der Sonne bis es Zeit für die Rückfahrt wurde. Punkt 19 Uhr standen wir wieder vor dem „Blaue Tische“. Schlauerweise hatten wir am Vorvortag schon mal einen blauen Tisch reserviert. Joaquin traf per Rad ein. Und der Abend wurde offensichtlich selbst dem Wirt zu lang. Wir waren die letzten Gäste. Egal. War jedenfalls ein sehr schöner Abend!

Und auch der letzte vor unserer Abreise. Am nächsten Morgen packten wir etwas verspätet zusammen, lagerten die Koffer im Hotel ein und machten uns kurzentschlossen – für den geplanten Besuch des Zoos war es leider zu spät – auf den Weg zum Britzer Garten.

Bei herrlichem Wetter drehten wir eine ausgiebige Runde, bevor es zum Flughafen Tegel ging. Unser Flug startete pünktlich um 15:50 Uhr.

Ein letzter Blick nach unten – und auf ging es Richtung Norwegen. Glücklicherweise mit einer Flasche Rotwein im Gepäck. Danke nochmals! Das war dann nämlich auch der letzte trink- und bezahlbare Wein für die kommenden zwei Wochen. Ich habe ihn sehr genossen, obwohl ich von der Frau am SAS-Schalter eindringlich gerügt wurde, weil mein Koffer zu schwer war.

Tschüss, Berlin!

sdr

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