Frau Flax nimmt den Bus

Ja, ich hab’s getan. Ich bin heute offiziell vom Auto auf den Öffentlichen Personennahverkehr umgestiegen. Man fasst es nicht. Selbst ich nicht.

Bevor ich allerdings den Bus zum Wiesbadener Hauptbahnhof besteigen konnte, hatte ich die ganze Sache schon wieder gründlich satt. Der Plan, den Feldweg zur Haltestelle zu nehmen, war kein guter. Bei völliger Dunkelheit watete ich blind durch knöcheltiefen Schlamm, den Verlauf des Weges konnte ich nur vage erahnen. Überflüssig zu erwähnen, dass es nieselte.

Ich brauchte am Ende zwar nur fünf statt der als Sicherheitsreserve veranschlagten 15 Minuten, aber es war einfach schrecklich. Da muss ich mir für morgen etwas einfallen lassen. Im Sommer sollte es kein Problem sein, aber momentan geht das so definitiv nicht.

Dass der Bus überfüllt war und ich bis Wiesbaden stand, war dagegen nicht weiter schlimm. Die Regionalbahn nach Mainz war auch flott gefunden. Ich ließ mich erschöpft in einen überraschend bequemen Sitz in einem völlig leeren Zugabschnitt sinken und kämpfte einen verzweifelten, aber aussichtslosen Kampf gegen die Schlammspritzer in meiner schwarzen Hose.

Am Vierersitz nebenan war eine große „1“ angebracht. O.k…. Sitz Nr. 1… Am Vierersitz dahinter allerdings auch, wie ich kurz danach feststellen musste. Ähemm… War der Wagen etwa nur deshalb so friedlich und bequem, weil es sich um einen Abschnitt der 1. Klasse handelte? In der Tat. Dann mal nix wie ab in die Sitze für Normalsterbliche. Kurz darauf tauchte auch schon eine uniformierte Zugbegleiterin auf, um meine FirmenCard nebst „Dienstausweis“ zu kontrollieren. Aber da befand ich mich bereits auf einem Sitzplatz, der meiner tatsächlichen sozialen Stellung entsprach.

Pünktlich traf ich am Ende in Mainz ein. Die Verbindung ist für meine Bedürfnisse absolut perfekt – vom Feldweg einmal abgesehen. Da überlege ich mir nachher noch was. Für den Rückweg wählte ich – Variatio delectat! – spontan eine S-Bahn nach Wiesbaden. Anhand der etwas kryptischen Haltestellenpläne um Wiesbadens Hauptbahnhof herum hatte ich mir bereits in der Mittagspause per Internet einen groben Überblick über den Abfahrtsort meines Busses Richtung Heimat verschafft. Schwierig… Sage ich mal so…

Am Ende wurde ich kurz vor der Kapitulation doch noch fündig und hatte die Wahl: Schleichbus, der sofort kommt, oder Schnellbus, auf den ich noch etwas hätte warten müssen. Mmmhhh… Die Tatsache, dass der Schleichbus fast direkt vor unserer Haustür anhalten würde, gab den Ausschlag. Ich stieg gutgelaunt ein. Die gute Laune hielt etwas zweieinhalb Minuten lang an.

Woran das lag? Einesteils am Busfahrer beziehungsweise an dessen Musikgeschmack. Ich saß in einem der vorderen Sitze und sein Radioprogramm trieb mich an den Rand des Wahnsinns. Kurz bevor wir Wiesbaden verließen, stieg gottlob ein junges Paar mit Baby ein, dem ich äußerst dankbar war, da das sein Geschrei die letzten Zeilen von Boney M.s „Brown Girl in the Ring“ abtötete. Schrei, Kind, schrei!!!

Das brave Kind knatschte und plärrte auch eine Weile tapfer gegen Bata Illic und die Erste Allgemeine Verunsicherung an. Die jungen Eltern stiegen jedoch in einem Ort weit vor meiner Haltestelle aus. Verdammt! Die Mutter meinte beim Aussteigen „So. Jetzt hast du genug geschrieen. Der nette Busfahrer nimmt uns bestimmt nie wieder mit“, woraufhin ‚der nette Busfahrer‘ erwiderte: „Ach was. Es gibt Schlimmeres…“ Ja. Das gibt es in der Tat! Deinen Musikgeschmack zum Beispiel, netter Busfahrer!!!

Luftlinie war ich jetzt nicht mehr weit von zu Hause entfernt, aber da diese irrwitzige Buslinie sämtliche Misthaufen im Untertaunus ansteuert, zog sich die Sache doch ziemlich hin. Und mein Nervenkostüm war irgendwann auch nicht mehr das Stabilste. Als wir kurz vor meinem Ziel zu den Klängen von Andy Borgs „Adios Amor“ nochmals links vom direkten Weg abbogen, um völlig sinnloserweise zwei vermutlich seit Jahren nicht mehr geleerte Mülltonnen anzufahren, sank ich schmerzverzerrt und halb bewusstlos in meinem Sitz zusammen.

Doch das furiose Finale dieser vom Satan selbst ersonnenen Linie folgte noch. Der Bus fuhr praktisch an unserer Haustür vorbei, bog kurz vorher rechts ab, nahm einen weiten Schlenker durch unseren gesamten Wohnort und sollte dann noch einmal kurz durch den Nachbarort kreisen, bevor er endlich zur Landung an „meiner“ Haltestelle ansetzen würde. Ich verlor die Nerven. Ich glaube, es waren die Flippers, die mich vorzeitig aus dem Bus trieben. Ach, was. Das war kein Bus. Das war wie eine Chartertour mit dem „Partyschiff Libelle“ (Schwesterschiff der „Möwe“) auf dem Rhein. Das hält man einfach nicht aus. Das gebietet schon ein letzter Rest von Selbstachtung im von Bürostunden und Schlagerparade geschwächten Körper.

Ich stieg jedenfalls vorzeitig aus und lief das letzte Stück nach Hause. Vielleicht hat mir das wenigstens Helene Fischer erspart. Oder noch Schlimmeres. Eins steht fest: Mit diesem Bus fahre ich niemals wieder. Nie, nie, nie mehr! Nur, wenn es gar nicht anders geht, und wenn die einzige Alternative eine Übernachtung in Wiesbaden wäre.

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