„Mainzer Fastnacht – Freude pur“

Eins vorweg: Der heutige Baustelleneinsatz ist flach gefallen. Der Bauherr ist gesundheitlich immer noch angeschlagen. Wir schonen ihn lieber für morgen, wenn ein kompletter Arbeitstag ansteht. Zudem liegen wir ja auch ganz gut in der Zeit, sodass es eigentlich keinen Grund gibt, wertvolle physische  Reserven bereits heute sinnlos zu verpulvern.

Am Ende ist man noch zu erschöpft für die alljährlich wahnsinnig witzige, originelle und tiefsinnige „Mainz bleibt Mainz wie’s singt und lacht“-Übertragung. Schön, dass das Grauen nun schon über so viele Jahre hinweg einen Namen hat.

Und schön auch, dass es wenigstens einen Abend im Jahr gibt, an dem man genau weiß, wann es Zeit ist, ins Bett zu gehen, weil man ohnehin innerhalb der nächsten fünf Minuten einschlafen wird: der Auftritt der „Mainzer Hofsänger“. Schon als Kind ist mir da alljährlich der Kopf in die Chipsschüssel gefallen. Liedgut wie Vollnarkosen, geschminkte Typen in waberndem Rotweißblaugelb, Texte, die Fremdschämen in ganz neuen Dimensionen erlaubten.

Gut… Als Kind war das einfach nur wahnsinnig öde – etwa von der Qualität einer Autofahrt durch die Po-Ebene. Die wirklichen Ekelaspekte sah man natürlich erst in späteren Jahren.

An Fassenacht muss ja hier alles zwingend ein sogenanntes Motto haben. Das nur zur Erklärung. Nein, ich bin nicht durchgedreht – der heutige Blog-Titel ist das Rosenmontagszugmotto dieses Jahres.  Das Motto der Hofgähner – ääähhh… Hofsänger natürlich! – für 2009 lautet jedenfalls:

„Sie steh’n für Fastnachts-Tradition, in Mainz fast neunzig Jahre schon.
So kennt im Land sie jedes Kind, drum bleiben sie so wie sie sind.“


Einfach rührend. Ob da wohl eine Anzeige wegen Bedrohung Sinn machen könnte?

Während ich so tippe klingen aus dem Stadion (remember: „Wir sind nur ein Fassenachtsverein…“) gar lustige Fangesänge herüber. Feulner hat gerade für die 1:0-Führung gegen die Hansa aus Rostock gesorgt. Der fastnachtliche Pflichtsieg muss her! Das Stadion ist heute nicht nur rot-weiß, sondern – wie die Hofsänger in ihren lächerlichen Billigseide-Säckchen – rotweißblaugelb. Dazu gibt es sogar den passenden Schal: Bitte sehr! Nicht dass hier nicht jeder schon so einen hätte, aber es ist meist kein 05er Logo drauf, weil die Freundin / Oma / Ehefrau damit handarbeitlich überfordert gewesen wäre.

Derweil hat „Mainzer Urgestein“ (*harhar*) Jörn Andersen verstanden, worum es geht: „Wir wollen versuchen, alles zu mobilisieren und zu geben für einen Heimsieg. Schließlich sollen die Zuschauer das Stadion glücklich verlassen und Fastnacht mit einem Sieg im Rücken durchfeiern“. Der Mann weiß worum es geht. Jawoll!

Nebenbei wird die Fassenacht mal wieder von allerlei Skandälchen überschattet. Bohnebeitel-Chef und Liebhaber gepflegter Kohlekraftwerkskunst Heinz Meller legt sein fastnachtliches Amt nieder. Die Rosenmontags-Zugnummer 88 – ein Motivwagen des MCV – muss in aller Eile noch umdekoriert werden, weil man sich den Unmut der Ordensfrauen der Diözese Mainz zugezogen hat. Und den von Sabine Flegel, die zusätzlich anmerkt, dass es seltsamerweise alljährlich im Rosenmontagszug keinerlei Motivwagen mit FDP-Kritik gibt. Bravo, Herr Zugmarschall Schmelz. Saubere Arbeit!

Währenddessen zieht mal wieder Philipp Mißfelder durch die Lande. Diesmal verweigert er nicht Rentnern Hüftprothesen, sondern er macht sich beliebt, indem er Hartz-IV-Empfänger als Säufer und Kettenraucher verunglimpft. Das grandioseste an der Sache ist jedoch seine Richtigstellung hinterher:

„Der ‚Leipziger Volkszeitung‘ sagte Mißfelder, er wolle Hartz-IV-Empfängern keineswegs pauschal Missbrauch unterstellen. ‚Wir brauchen aber eine Diskussion über die Frage, wie mit sozialen Leistungen der Allgemeinheit von den Betroffenen umgegangen wird. Leider kommen sie häufig nicht zielgenau an.‘ Mißfelder schlug vor, statt Geldleistungen vermehrt Gutscheine auszuteilen, zum Beispiel für Schulspeisungen.
Saukomisch! Jetzt muss mir nur noch jemand erklären, was genau daran unter „differenziernde Erklärung“ fällt. Etwa die Tatsache, dass Herr Mißfelder jetzt noch hinzufügt, dass die Hartz-IV-Empfänger nicht nur versoffen und nikotinabhängig, sondern auch noch zu dumm sind, sich von dem bißchen Geld Flatscreens und Opels zu kaufen, um der dank Leuten wie ihm in den letzten Zügen liegenden deutschen Wirtschaft auf die Beine zu helfen? Gutscheine? Von Mediamarkt?! Wenn es nicht so unendlich traurig wäre, könnte man sich wirklich tot lachen…
Ich hoffe, es ist die Titanic, die sich vorsorglich ein paar Varianten einen entsprechenden twitter-Accounts zugelegt hat. Thorsten Schäfer-Gümbel ist ja inzwischen leider wieder in der Versenkung verschwunden. Mit Bierchen und Sekretärin.

Oops! Soeben fiel am Bruchweg der Ausgleich. Ulle-City scheint sich wehren zu wollen. Das ist zwar prinzipiell „ganz groß“, wird aber sicher nicht gern gesehen werden. Dann kann der Mainzer nicht „mit einem Sieg im Rücken durchfeiern“, sondern muss sich kollektiv den Frust runterspülen. Obwohl: Kommt ja eigentlich aufs gleiche heraus: Weck, Worscht & Woi!

 

Nachtrag von 19:57 Uhr: Der FSV gewinnt doch noch 3:1. ‚Mainzer Fußball – Freude pur!‘

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