So schlimm war’s ja gar nicht…

Im Prinzip ist der 11-Stunden-Arbeitstag alle paar Wochen sogar recht angenehm. Vor allem, wenn die Ablage unüberschaubar geworden ist, und sich eine Menge unerledigter Vorgänge stapelt. Ohne Ablenkung durch andere anwesende Personen und bei nur gelegentlichem Klingeln des Telefons lässt sich in 2,5 Stunden Büroeinsamkeit doch einiges erledigen. Und mein Schreibtisch sah in letzter Zeit wirklich erschreckend aus.

Nachdem alle außer mir fröhlich in den Feierabend durchgestartet waren, beschloss ich, rechts anzufangen und mich dann bis an den linken Rand meines L-förmigen Schreibtisches durchzuarbeiten.

Und die Zeit reichte. Um 18 Uhr sah alles wieder aus wie in längst vergangenen Tagen, als man noch nicht beschlossen hatte, meinen Lebensmut durch das sukzessive Aufhalsen doofer Tätigkeiten zu zermürben. An dieser Stelle ein dringliches Memo an alle, die in nächster Zeit in einem neuen Job anfangen: Oberste Regel ist definitiv die Verfeinerung des Dummstellreflexes. Nur wer es schafft, Andere nachhaltig von der eigenen Dummheit und Unfähigkeit zu überzeugen, hat im Büroalltag ein angenehmes Leben. Je weniger man kann oder weiß, desto weniger muss man tun.

Eine ganz neue Komponente in dieser Hinsicht brachte letzthin eine neue Kollegin ins Spiel. Als man ihr antrug, sich in eine nicht sehr beliebte Tätigkeit einzuarbeiten, lehnte sie mit den Worten „Das traue ich mir nicht zu“ ab. Genial! Dass ich darauf nie gekommen bin! Verdammt! Man fand dann ein anderes Opfer und die Dame, die sich das nicht zutraute, hat weiterhin ein angenehmes Leben.

Ganz schlecht ist es übrigens, die eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse offenzulegen. Dass ich die einzige Person in der Abteilung bin, die über Englischkenntnisse verfügt, die es ihr erlauben, mit englischsprachigen Gesprächspartnern zu kommunizieren, davon hätte „die Öffentlichkeit nie etwas erfahren dürfen“. X-Files sozusagen. Nachdem dies allerdings bekannt wurde, kam es zu lustigen Szenen, in denen Kollegen aus Nachbarabteilungen mich an ihre Telefone zerren wollten, um dem jeweiligen Anrufer Dinge zu erklären, von denen ich absolut keine Ahnung hatte. Das zumindest habe ich abgelehnt. Immerhin…

In unserem Büro allerdings lässt sich Derartiges nicht so leicht abwimmeln. Meine Kollegin nebenan (die mit der akuten und gleichzeitig chronischen Verbaldiarrhoe, von deren Heldentaten ich bereits bisweilen berichtet habe) pflegt mit fremdsprachigen Gesprächspartnern wie folgt umzugehen. Das Telefon klingelt. Sie hebt ab. Sie versteht nichts, sagt aber „Ja“. Dann nochmal: „Ja“. Und dann legt sie ganz leise den Hörer auf und hofft, dass der Anrufer aufgibt. Tut er das nicht und erdreistet sich, es nochmals zu versuchen, hält sie mir den Hörer hin und sagt völlig empört: „Jetzt rufen die hier schon in Englisch an!“ Eine wirklich bodenlose Unverschämtheit! Dass der Anrufer sich nicht schämt! Und das in der Auslandsabteilung!

Bekommt sie Faxe oder Mails in einer ihr unbekannten Sprache, reicht sie sie mir stets mit den Worten: „Weißt DU, was die wollen?“ Das Problem an der Sache ist, dass sie das auch tut, wenn es sich beispielsweise um kyrillische oder griechische Schrift handelt. Ob Spanisch oder Italienisch oder Kisuaheli – es liegt irgendwann vor mir. Und wenn ich mir dann mühsam und unter Auferbietung meines kompletten aktiven und passiven Wortschatzes zusammengereimt habe, um was es dabei eventuell gehen könnte, und ihr das Ergebnis mitteile, antwortet sie stets: „Das habe ich mir gedacht!“

Eine ähnliche Problematik – oder nennen wir es „Wissensfalle“ – ergibt sich bei allem, das mit Excel zu tun hat. Ich mag Excel. Ich mochte es schon immer. Ich schreibe sogar meine Briefe in Excel. Das Problem ist halt, dass sich ansonsten niemand auch nur im entferntesten dafür interessiert oder sich damit auskennt. Sobald derartige Arbeiten anliegen, landen sie auf meinem Schreibtisch. So nach und nach. Klammheimlich. Und irgendwann hat es sich eingebürgert, alles ohne größere Skrupel bei mir abzulegen. Und da war auch schon der „Das traue ich mir nicht zu“-Punkt überschritten. Mist!

Den coolsten Einsatz in dieser Hinsicht hat ebenfalls die Muttersprachenmörderin gebracht. Vor ca. drei Jahren beobachtete ich sie allmonatlich dabei, wie sie ungefähr 3.000 DIN-A4-Ausdrucke auf den Drucker jagte, diese in drei Häufchen sortierte und anschließend stundenlang abzählte. Es war wirklich deprimierend. Ich kam auf die grandiose Idee – „Damn!“ – ihr vorzuschlagen, das alles in einer Excel-Tabelle zu erfassen, damit man anschließend nur noch einmal pro Monat jeweils dreimal die „Summe“-Taste drücken musste, um die genauen Zahlen zu haben. Sagte ich schon, dass das eine absolut grandiose Idee war?!

Am Ende opferte ich Wochen für die Erfassung der Daten (immer nebenbei, wenn gerade mal ein wenig Zeit war), pflegte diese dann in stundenlanger Feinarbeit und nannte ihr am Monatsende jeweils die benötigten Zahlen. Als ich es irgendwann wagte, leise und dezent über diese nervtötende Mehrarbeit zu stöhnen, meinte sie: „DU wolltest die Tabelle doch…!“

Das war dann allerdings der Punkt, an dem ich anbot, MEINE Tabelle umgehend zu löschen. Und das war eigentlich auch das einzige Mal, an dem mir in 15 Jahren echt der Kragen geplatzt ist. Waaaah!

Interessant wird die Sache auch bei Urlaubsvertretungen. Gibt man zu erkennen (Feeeeh-ler!!! *mööööp*), dass man sich schnell in andere Aufgabenbereiche einarbeiten kann, befindet man sich am Ende in folgender Situation: Man kann für sämtliche Kollegen die Urlaubsvertretung übernehmen, selbst aber zum Beispiel niemals krank sein, weil man immer gerade irgendwo gebraucht wird, weil wer anders krank oder in Urlaub ist. Und wenn man dann selbst Urlaub hat (weil man sich Krankheit ohnehin nicht mehr leisten kann) und nach ein paar Tagen zurückkehrt, findet man jede Menge fieser Aufgaben vor, von denen die Kollegen behaupten, dass sie sich damit „überfordert“ fühlten. Muss ich wirklich noch eine Bemerkung dazu machen, wie die Gehälter der Beteiligten aussehen?! Merke: Niemals in neue Arbeitsbereiche einarbeiten lassen! Niemals!!! Unter gar keinen Umständen.

Wie war nochmal mein heutiger Blogtitel? „So schlimm war’s ja gar nicht…“ – stimmt! Und woran lag das? Die quantitative Mehrarbeit fand einsam statt! Niemand stand da und unterbrach einen mit einem „Kannst du gerade mal…?“ oder „Guck mal, das hier ist irgendwie seltsam…!“ Schön war’s! Entspannend. Geradezu erholsam. Der einzige Makel an den zweieinhalb Stunden ist, dass ich sie nicht als „Alternativsport“ im Winterpokal eintragen kann.

7 Kommentare

  1. Mammillaria zeilmanniana, mein erster Kaktus. :chick:

    Nach elf Stunden Arbeitstag mal eben so einen großartigen Blogeintrag rausfließen zu lassen… Madame Flax, Sie sind ein Phänomen. Mein aufrichtiger Soz… äh, meine aufrichtige Bewunderung ist dir
    sicher. :schleimspurwegwisch:

    Schreibst du dein Blog vielleicht auch mit Excel? ^^

  2. Ich find Excel doof. 😀 Naja, eher findet Excel mich doof. Zahlen halt … alles, was entfernt mit Zahlen verwandt oder verbandelt ist, ist nicht meins.

    Insofern Hochachtung, dass du nicht nur mit Zahlen, sondern auch mit Buchstaben kannst. 😉

    Und danke für die tollen Tipps für die berüchtigten ersten 100 Tage. Wenn ich dann nur mal einen neuen Job hätte … ich bewerbe mich jetzt sogar schon in Frankfurt. ^^

    1. excel bringt das gute in den zahlen ans tageslicht. ich bin prinzipiell auch eher eine zahlenhasserin, aber excel ist einfach super. nicht wegen, sondern trotz der zahlen 😀

      sich in ffm zu bewerben, ist natürlich schon echt hart. das brächte ich nicht fertig. was zuviel ist, ist zuviel… ^^

  3. Zahlenhasserin?! Moment mal … wo arbeitest du noch mal? 😀

    Der tolle Job kann halt leider auch nichts dafür, dass er in FFM ist. Und so ein bisschen Großstadtluft schnuppern kann ja auch nicht falsch sein. 😉

    1. genau. notfalls kannst du dir ja von einem sehr netten frankfurter die stadt zeigen lassen. und hinterher ist sicher noch ein gläschen wein am fahrradständer-flügel drin. und hinterher kannst du
      dann posten: „Gestern Abend nach einem langen und harten Tag zwei Gläser Vin rouge ordinaire aus dem Tetrapack. Sehr lecker. Den Rest gibt es nächsten Montag.“

      😀

  4. Ich frage mich auch schon länger, was du eigentlich arbeitest…
    Zahlen?
    Manchmal klingts ja wie der ÖD – aber Auslandsabteilung?
    Bin gerade dabei, mir die Mehrarbeit des letzten Jahres -die natürlich viel interessanter ist als mein /eigentlicher/ Job – wieder vom Hals zu schaffen. Gar nicht so leicht. KÖnnte sogar auf
    Kündigung und Neustart elsewhere hinauslaufen. Wäre aber schade…
    😉

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