Von der Levada in die Wüste. Und dann wird’s noch blumig.

Am nächsten Tag ging’s mit dem Auto zum Encumeada-Pass. Die Levada do Norte war unser Ziel. Bereits morgens beim Lesen der Beschreibung im Rother Wanderführer kamen bei mir leichte Zweifel auf. Bei der Tour 44 „Botanisieren im Folhadal“ (Untertitel: Entlang der Levada do Norte zu den Maiblumenbäumen) stand nämlich: „… erreichen wir einen Tunnel, vor dem sich die Levada gabelt. Wir gehen rechts durch den ca. 600 m langen Tunnel. Die ersten 30 bis 40 m sind relativ eng und niedrig, sodass man leicht gebückt gehen muss, …“ Worte wie „Tunnel“, „eng“ oder „niedrig“ in einem Satz. Das ist ja prinzipiell nichts für mich. Aber ich kann’s mir ja mal anschauen.

Wir kamen am Tunnel an. Aus dem Tunnel kamen Stimmen. Eine deutsche Familie war in Gegenrichtung unterwegs. Wir warteten. Als sie ins Licht traten, machten sie prinzipiell keinen panischen Eindruck. Nun gut. Einen Versuch wäre es wert.

Dass es von diesem Tunnel keinerlei Fotos gibt, spricht Bände. Bereits beim Warten war mir etwas mulmig und ich fokussierte mich auf den Kampf gegen die Angst. Und als wir wieder heraus kamen, war ich so durch, dass an Fotografieren nicht mehr zu denken war.

Wir betraten den Tunnel. Gebückt. War ja auch so angekündigt. Da wir beide nicht gerade kleine Menschen sind noch etwas gebückter. Der Gatte ging voraus. Ich folgte. Nach etwa zwanzig Metern geriet ich in Panik. Ich wollte nur noch raus. Zwischen mir und dem Ende stand der Gatte, dessen junges Leben ich nicht in Gefahr bringen wollte. Um zurück zum anderen Ende zu gelangen, musste ich mich auf dem schmalen Mäuerchen neben dem Wasser umdrehen, was nicht ganz einfach war. Ich überlegte nicht lange, schaffte es – ohne ins Wasser zu fallen! – zu wenden und stürzte Richtung Licht. Schreiend.

Der Gatte bemerkte, was hinter ihm los war und drehte ebenfalls um. Dabei rutschte der Rother ab und fiel ins Wasser. Ich war derweil bereits in Fließrichtung weiter vorne und versuchte ihn am Gitter direkt am Ausgang des Tunnels zu erwischen. Nicht ganz einfach. Ich legte mich flach auf den glitschigen Boden uns fischte mit einem Stöckchen herum. Ergebnis: Der Rother passierte grazil schwebend im glasklaren Wasser das Gitter und verschwand in einem mit Steinplatten bedeckten Stück der Levada. Verflucht! Ich hatte ihn auf dem Gewissen!

Vor dem Tunnel musste ich mich erst einmal wieder etwas beruhigen. Ich würde da definitiv nicht mehr reingehen. Soviel stand fest. Der Gatte – nun rotherlos – erinnerte sich, dass die Tour 45 „Levada das Rabaças“ (Vom Encumeada-Pass aussichtsreich zum Rabaças-Tunnel) an der Verzweigung nicht durch den Tunnel, sondern links entlang weiter ging. Spontane Planänderungen können wir.

Ich weiß jetzt natürlich nicht, ob ich auf dem zuerst geplanten Weg mit den Maiblumenbäumen etwas wirklich Schönes verpasst habe, aber die Alternativroute erwies sich als traumhaft. Sehr empfehlenswert. Wirklich. Und mit großartigen Panoramablicken unterwegs.

Auf dem Rückweg hielt ich ab dem Tunnel immer wieder Aussicht nach dem Rother. Ich wollte ihn noch nicht so ganz aufgeben. Kurz vor dem Ende der Wanderung kam erst ein größeres Wehr mit Gitter und kurz danach das Haus des Levada-Wärters, den wir auf dem Hinweg gemütlich auf seiner Terrasse sitzen gesehen hatten.

Und – man kann es wirklich nicht glauben! – im Gitter hing unser Rother. Völlig durchweicht zwar und ohne Deckel, aber ansonsten noch am Stück. Wir waren so enthusiastisch, dass der Gatte sich sofort den Rechen des Levadawärtsres schnappte, der an der Wand hing und den Rother aus dem Wehr fischte. Er triefte, aber wir hatten ihn wieder! Der Gatte hängte den Rechen zurück und ich schwenkte triumphierend den aufgeweichten Wanderführer, als uns der Levedawächter entgegen kam. Er wirkte außerordentlich unentspannt und ärgerlich. Vermutlich waren wir bei der Rettungsaktion so laut gewesen, dass er uns von seiner Terrasse aus gehört hatte. Daraufhin schien er sich sogleich dienstbeflissen auf den Weg gemacht zu haben. Immerhin hatte er uns nicht inflagranti erwischt. Wir setzten den Weg albern kichernd fort. Der Rother verbrachte den Rest des Tages – und die beiden folgenden Tage – auf der Terrasse am Wäscheständer hängend.

Am nächsten Tag stand ein echtes Kontrastprogramm auf dem Plan. Praktisch vom Ertrinken direkt in die Wüste. Inklusive Oase. Aber von vorne.

Der Tag begann früh. Wir tranken Kaffee und machten Fotos von den feuchten Seiten des Rothers, die wir heute brauchen würden. So hatten wir ihn praktisch digital dabei, während er weiter in der Sonne herumhängen konnte. Die Tour startet am Parkplatz oberhalb der Baía d´Abra. Recht früh am Tag kann man dort noch einen guten Platz erwischen, um das Auto abzustellen, und man hat die Chance, die Halbinsel São Lourenço noch relativ ungestört bewandern zu können.

Ich hatte mir vorab Fotos von der Ponta de São Lourenço angeschaut und mir war bereits klar, dass sie zu dieser Jahreszeit einen wirklichen Kontrast zum restlichen Madeira abgeben würde. Im Frühling sind die Hänge wohl sehr grün, aber mitten im Sommer sah es praktisch aus wie in der Steppe.

Der Weg ist ein ziemliches Auf und Ab, aber wenn man ihn geht, bevor die Busse eintreffen, ist er wirklich ein Traum. Sehr abwechslungsreich und mit tollen Ausblicken und Fotomotiven. Immer wieder mit Blick aufs Meer und wechselnde, teils bizarre Felsformationen.

Und dazu wartet am Ende des Weges als Sahnehäubchen noch eine Bar (Casa do Sardinha), die von weitem wie eine Oase in der Wüste wirkt. Auf die hatte ich mich fototechnisch besonders gefreut. Und sie enttäuschte nicht – weder ihr Anblick, noch der Poncha, den ich dort zusammen mit einer Flasche eiskalten Wassers orderte. Herrlich!

Von der Casa do Sardinha aus kann man per Boot zurück fahren. Oder man nimmt den Hinweg über den gleichen Weg. Wir entschieden uns für die zweite Variante. Und machten uns bei dieser Gelegenheit gleich ein Bild davon, wie der Tag verlaufen wäre, wenn wir später gestartet wären.

Es folgte ein echter Ruhetag ohne großartige Unternehmungen. Am nächsten Tag stand die Seilbahn in Funchal auf dem Plan. Da braucht es mentale Vorbereitung. Zumindest in meinem Fall.

Botanische Gärten sind ja praktisch auf Madeira Pflichtprogramm. Und es gibt einige. Wir entschieden uns für zwei davon. Den „Monte Palace Tropical Garden“ wollten wir uns zuerst anschauen. Prinzipiell kann man den Besuch dort auch mit einem Besuch im „Jardim Botanico“ verbinden, indem man erst die große Seilbahn nimmt und dann mit der kleinen später weiterfährt. Wir planten anders. Und wir verzichteten auf die Korbwagenfahrt. Mehr Nervenkitzel als die Seilbahn brauchte ich dann doch nicht an einem Tag.

Wir nahmen den Teleférico über die Dächer von Funchal – ich mit schwitzigen Händen, der Gatte eher gelassen – und liefen zum Monte Palace. Das Wetter hoch oben unterschied sich doch deutlich vom strahlenden Sonnenschein unten am Meer. Es wurde sehr diesig und neblig mit einigen Ansätzen von Regen.

Zur Geschichte des Monte Palace: 1897 kaufte Alfredo Guilherme Rodrigues das Grundstück in der Nähe der Kirche von Monte und ließ dort ein Hotel – das Monte Palace Hotel – erbauen. Als er 1943 starb, wurde das Hotel schließlich geschlossen. 1987 kaufte José Manuel Rodrigues Berardo Gebäude und Grundstück, baute den Park aus und ließ auf den insgesamt 70.000 Quadratmetern Fläche einen Koi-Teich, eine riesige Azulejo-Sammlung, einen japanischen Garten und etliches mehr errichten. Dazu gibt es einen Abriss der portugiesischen Geschichte auf riesigen Fliesentafeln. Insgesamt hat der Garten schöne, aber auch erschreckende Stellen. Der Asia-Kitsch schockte uns dann schon ein wenig…

Beginnen wir aber einmal von vorne. Am Weg vom Eingang aus entlang gibt es erstmal reichlich der Fliesen zur portugiesischen Geschichte. Hier mal ein kleiner Eindruck:

Zu der Sache mit den Stieren und den Spaniern hatte ich ja anlässlich eines Azoren-Urlaubs mit Stopp auf Terceira schon einmal etwas geschrieben: Bem-vindo aos Açores! Schön, diese Szene der Weltgeschichte hier noch einmal verewigt zu sehen. Auch wenn der Madeirer jetzt nicht unbedingt der größte Azoren-Fan zu sein scheint. Und das obwohl das meiste Rindfleisch von den Azoren stammte, das wir zu sehen bekamen.

Und wo wir gerade bei Kuriositäten sind. Hier ein kurzer Einblick in die Asia-Abteilung – kein Kommentar.

Zwischen all dem Grün fand sich dann auch noch die angeblich zweitwichtigste Azulejo-Sammlung Portugals. O.k. – das sorgte für eine mittlere Fotoeskalation.

Und dann noch ein wichtiger Tipp: Im Garten gibt es irgendwo – wir stolperten mehr zufällig darüber – ein Café. In diesem Café bekommt man, wenn man die Eintrittskarte vorzeigt, einen Gratis-Madeira. Wenn der Kaffee besser gewesen wäre, wäre das noch netter gewesen, aber egal.

Sehr nett übrigens auch am großen Teich ein sehr seltsames Azulejo. Ich konnte es nur von weit weg über den Teich fotografieren. Der Weg geht zwar daran vorbei, aber aus dieser Perspektive war es sehr schwer zu erkennen. Es ist eine Art Tür, die von zwei Frauengestalten flankiert ist. Die linke Frau trägt offensichtlich die zehn Gebote, die rechte stand nur so rum. Wir kamen überein, dass es sich um „Moses seine Frau“ und „Moses seine Frau ihre Schwester“ handeln muss. Oder so.

Dann mussten wir kurz das Toilettenhäuschen blockieren, weil ich das „Livre“ und das „Ocupado“ fotografieren wollte. Sowas mag ich sehr. So hat halt jeder seine Interessen. Und das war’s dann auch schon.

Für den Rückweg nahmen wir den Bus. Und verließen ihn in Funchal voller Bewunderung für den Fahrer. Das wäre absolut kein Job für mich. Weniger noch als Erzieherin. Respekt!

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