„Wir haben mehr zu bieten“

So ist es im Berliner Wahlbezirk Friedrichshain-Kreuzberg auf einem Wahlplakat der CDU-Kandidatin Vera Lengsfeld zu lesen. Das Plakat zeigt sie und das Kanzlerin als „kesse Kesslers“ mit samtumrandetem Dekolleté. Zwei Dekolletés um genau zu sein. Eins davon kannte ich ja schon aus Oslo und hoffte eigentlich inständig, es nie wieder sehen zu müssen. Und jetzt? Verdammt! Da sind se wieder: die Hügel und Endmoränen der Uckermark…

„Die fruchtbare, eiszeitlich geprägte hügelige Grund- und Endmoränenlandschaft ist von der Seenkette des Ober- und Unteruckersees durchzogen und im Südteil überwiegend mit Buchenwäldern bestanden.“ (Zitat: Wikipedia). Da frage ich mich doch: Wo sind denn bitte die Buchenwälder, wenn man sie mal braucht?!

Und als ob es nicht schon schlimm genug wäre, jetzt schon wieder ungefragt mit peinlichen Merkeleien belästigt zu werden, schließt sich der Fleischbeschau auch noch die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Lengsfeld an und bietet unseren Blicken das, von dem sie denkt, dass es für einen „Imagewandel“ (Zitat Sächsische Zeitung) sorgen könne. Einen Imagewandel?! Von unattraktiv für Kreuzberger Autonome zu „Peep“-Feldbusch-Erotik, um die RTL-II-Zielgruppe an die Wahlurnen zu locken?

Prinzipiell fragt man sich jetzt doch, was Frau Lengsfeld zu dieser wahnwitzigen Aktion trieb. Ist es die gleiche Art von Schamlosigkeit, die vor einiger Zeit Uschi Glas dazu brachte, sich vor den Max-Kameras zu entblößen? Ist es eine Art spätpubertierender Selbstvergewisserung, die politisch funktionslos gewordene Wahlen dazu benutzt, den eigenen sexuellen Marktwert auszuloten? Oder handelt es sich gar um christlich-demokratische Pornografie in direkter Dolly-Buster-Nachfolge?

Dafür spräche die Obszönität, mit der hier ein geradezu körperloses Dekolleté in seiner ganzen Hässlichkeit dem geifernden Blick dargeboten wird. Es gilt nicht mehr „Was man hat, muss man zeigen“, sondern „Man hat zwar nichts, aber man zeigt es trotzdem“. Damit wäre die Politik nun endlich da angekommen, wo Dieter Bohlen schon vor Jahren war. Glückwunsch, Frau Lengsfeld!

Dann würde mich auch noch brennend interessieren, was eigentlich genau mit „Wir haben mehr zu bieten“ gemeint ist. Mehr als was? Worauf bezieht sich der Komparativ? Mehr als politische Inhalte? Mehr als das, was Frau Lengsfeld in der Sächsischen Zeitung als „Bierbäuche“ bezeichnet? Mehr als die oberflächlichen Selbstzurschaustellungen von sogenannten „Politikern“ wie Westerwelle, Wowereit und nicht zuletzt Schröder, der eine derartige politische „Kultur“ erst möglich gemacht hat?

Und was haben die beiden tiefdekolletierten Damen denn nun eigentlich überhaupt zu bieten? Und wem? Und warum auf diese Art und Weise? Im Prinzip sind wir doch jetzt an der Stelle im Hans-Christian Andersen-Märchen von des Kaisers neuen Kleidern angelangt, an der der kleine Junge am Straßenrand ruft: „Der ist ja nackt!“ Der Witz an der Sache ist nur, diesmal interessiert das Niemanden. Man hat uns ja nicht getäuscht. Und auch nicht das Merkel. Im Gegenteil!

Im Vergleich mit Schröders Selbstinszenierung hat das Merkel ja nie ein Hehl aus seiner provinziellen Unbeholfenheit gemacht. Es hat nicht einmal versucht, diese zu kaschieren. Es stolpert unbedarft durch Staatsbesuche. Es klettert unbeholfen in U-Boote. Es steht händeringend und hilflos auf roten Teppichen. Es klatscht innerlich emotionslos, aber extrem bemüht wirkend zu Nationalmannschaftstoren. Kurz: Es erweckt in allem, was es tut, den Eindruck, genau da, wo es gerade ist, nicht hinzugehören und trotzdem unbedingt dabei sein zu wollen.
Im Prinzip ist es wie sein unsäglicher Oslo-Ausschnitt: Es wirkt auf peinliche Weise deplatziert. Und das in jeglichem Kontext.

Gespannt sein dürfen wir jetzt sicher darauf, wie die Antworten auf diese – von Frau Lengsfeld als „bewusste Provokation“ dargestellte – Plakataktion ausfallen werden. Steinmeiers Bauch mit dem Slogan „Da kann ich locker mit!“? Oder der kesse Guido mit Marilyn-Perücke und „Some like it hot“-Schriftzug? Oder vielleicht gar… Nein!!! Ich will es mir nicht vorstellen! Eine Wiederauflage von Claudia Roths und Andrea Nahles‘ Dirndl-Eskapaden. Bitte, bitte nicht!

4 Kommentare

  1. Subtile Fotoauswahl, Frau Flax. Kompliment! 😆

    Nun, der „Imagewandel“ von einer „Alt-Männer-Bierbauch-Partei“ zur Alt-Weiber-Hängetitten-Partei ist sicher ein ehrenwertes Anliegen für eine ehemalige Bürgerrechtlerin.

    In Anbetracht solch grandioser Wahlkampfargumente wird nun auch klar, warum Konkurrenz in Form von Frau Pauli und ihrer Berliner Frauenbeauftragten (https://www.spiegel.de/panorama/leute/0,1518,641109,00.html) schon im Vorfeld ausgeschaltet werden musste. :ehee:

  2. Ich frage mich schon lange, wen kann man da überhaupt noch wählen. Daher weiß ich auch noch nicht ob ich zu Wahl gehe, und wenn ich gehe, weiß ich nicht wen ich wählen soll.

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