Au revoir Soulan! Bon jour Beaucens!

Und wieder stand eine Abreise und der Bezug eines neuen Quartiers an. Wir packten nach dem Frühstück und fuhren hinunter nach Saint-Lary, wo der Bauherr abermals sein Rad bestieg, um zum Abschied noch unseren Hausberg zu bezwingen: Pla d’Adet. Wie fies der ist, hatten wir bereits in den vergangenen Tagen bei Autobefahrungen feststellen dürfen.

Zumindest bis nach Soulan. Aber das sollte ja angeblich auch das steilste Stück sein – kein winziger Abschnitt unter neun Prozent. Meine Lust auf Radfahren erlosch wieder deutlich. Der Bauherr jedoch hielt an seinem Plan fest, in die Fußstapfen von Raymond Poulidor zu treten.

Bis hinter Soulan war ich auch brav meinen Directeur-sportif-Pflichten nachgekommen. Ab Soulan beschloss ich, dass ich im Skiresort auf meinen Schützling warten würde und legte den Rest der Strecke komplett zurück.

Blöderweise berücksichtigte ich dabei nicht, dass kurz hinter Soulan das Steilstück kommen würde, an dem Lance 2001 den keuchenden Herrn Ulle versägt hatte. Und die Stelle ist echt fies. Auf ein kurzes Flachstück folgt ein wirklicher fieser und sehr steiler Streckenabschnitt. Den Rest des Tages – und vermutlich auch für den Rest meines Lebens – musste ich mir anhören, was für ein unfähiger Directeur sportif ich sei, der seinen Topfahrer in der Stunde der größten Not allein ließ.

Zu spät. Ich hatte es getan. Und ich sage es an dieser Stelle nochmals in aller Form: Es tut mir leid. Das wollte ich nicht. Asche auf mein unwürdiges Haupt. Mea culpa, mea maxima culpa.

Am Ende erreichte der Bauherr auch ohne seinen Trottel von Sportdirektor den Gipfel. Und selbst nach ausgiebiger Suche fanden wir in diesem abartig hässlichen Skiort kein Schild o. ä., vor dem wir das Rad hätten fotografieren können.

Selbst Sylvain, der uns dort im Ziel seines Bergläufchens begegnete, wusste von keiner Markierung. Blödes Pla d’Adet! Wir verluden das Rad und fuhren wieder runter.

Und dann wollten wir eigentlich über den Col du Tourmalet nach Beaucens fahren. Wir fuhren den Tourmalet hinauf. Wir fuhren den Tourmalet hinunter. Wir stellten fest, dass die Nationalstraße aus Barrèges hinaus gesperrt war. Ebenfalls wegen der Überschwemmungen. Wir drehten also um und fuhren den Tourmalet wieder hinauf. Und dann wieder hinunter.

Immerhin kamen wir dabei zweimal durch Sainte-Marie-de-Campan, und ich muss wohl nicht erwähnen, wonach ich dabei Ausschau hielt. Natürlich! Die Kuschelschmiede von Eugène Christophe. Und ich nervte den Bauherren solange, bis wir sie fanden. Und bis ich auch noch die Gedenktafel daran fotografiert hatte.

Bei der zweiten Überfahrt der Passhöhe gelang mir aus dem Auto heraus immerhin noch ein Foto vom „Le Géant du Tourmalet“ von hinten. Und das war es dann auch schon.

Auf der Weiterfahrt machte sich der Bauherr dann ausgiebig über mich lustig: „Oh! Da! Die Schafgarbe, die Eugène Christophe damals plattgedrückt hat, als er bei seinem Gabelbruch vom Rad stieg!“ oder „Da! Der Campingplatz, auf dem Eugène Christophe 1913 übernachtet hat!“ oder auch „Mein Gott! Der Carrefour, in dem er sich Wasser gekauft hat!“. Und dann jeweils in unschuldigem Ton: „Soll ich anhalten, damit du ein Foto machen kannst?“ Grrrr…

Erst in Lourdes konnte ich ihm verzeihen. Das dann natürlich ausgiebig. Und bei der Gelegenheit konnte ich dann auch meine Kerze aufstellen, die ich in meiner Not auf der peruanischen Piste zu stiften versprochen hatte. Und Wasser aus der Quelle füllten wir auch noch ab. Wie Gino Bartali im übrigen, wenn er in der Nähe war. Aber lassen wir das jetzt lieber…

Zudem besichtigten wir Grotte und Kirchen. Und ich muss sagen, dass der ganze Ort trotz des Massenauflaufs dort irgendwie etwas Anrührendes hatte. Weniger anrührend anschließend die Szene im Straßenverkehr der engen Gässchen, als wir hinter einem Bus standen, der an einer Kreuzung komplett feststeckte und weder vorwärts noch rückwärts weiterkam. Irgendwann konnten wir uns befreien und weiterfahren. Der Bus steht wahrscheinlich immer noch da…

Als wir in Beaucens eintrafen und das Auto ausluden, traf mich fast der Schlag. Die Tüte, in der sich außer dem Madiran in der Elegido-Flasche auch das Neffengeschenk, übrigens ein Kleidungsstück, und ein Buch von mir befanden, war umgefallen und nach und nach mit dem Rotwein geflutet worden. Das Buch sah schrecklich aus, war aber noch lesbar.

Schlimmer hatte es das Neffengeschenk getroffen. Ich gehe an dieser Stelle mal nicht in die Details, möchte aber nicht unerwähnt lassen, dass es gerade die dritte Runde in der Waschmaschine dreht und zwischendurch mit verschiedenen Flecklösern im Eimer eingeweicht wurde. Merde!

Als ich mich wieder einigermaßen beruhigt und das neue Zimmer in Augenschein genommen hatte (hier ein Foto von unserem herrlichen Balkon mit Bergblick), beschlossen wir, zum Essen einfach die Straßenseite zu wechseln, und im „Le Petit Couassert“ einzukehren. Eine ausgesprochen gute Idee!

Auf dem Foto weiter oben sieht man die Vorspeise des Bauherren, „Salade Saint Jaques“ (mit Jakobsmuscheln). Ich hatte einen Salat mit Flusskrebsen und als Hauptgang „Magret de Carnard“ mit üppigen Beilagen. Das Foto vom Hauptgang des Bauherren, einem Milchlamm, ist leider total in die Hose gegangen und nicht präsentabel. Als Dessert hatten wir „Crème brûlée“ bzw. „Framboisine“ (eine Mousse aus weißer Schokolade mit Himbeermousse obendrauf).

Während des Essens schlich der Hund des Hauses um unseren Tisch und schaute uns fast fortwährend genauso wie auf dem Foto an. Aber wir gaben nicht nach. Wenn der Patron auftauchte, tat er unbeteiligt und schlich kurz um die Ecke, um dann wieder aufzutauchen und so mitleiderregend zu schauen. Beim Kaffee verabschiedete er sich wortlos und enttäuscht.

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