Das war heute wirklich mit Abstand das seltsamste Erlebnis, das ich beim Kauf von Büchern je hatte. Nachdem ich in letzter Zeit Amazon abgeschworen und meine Lesestoffeinkäufe auf den Einzelhandel verlegt hatte, war ich prinzipiell davon überzeugt, dass das eine ausgesprochen gute Idee war.
Englischsprachige ÖPNV-Lektüre pflege ich seither im Wiesbadener Hauptbahnhof bei „Payot Libraire“ zu erwerben. Da sitzen Menschen drin, die lesen (!), bis man an der Kasse auftaucht. Für alles andere nutze ich gerne den inhabergeführten „Hexenbuchladen“ in Idstein. Nette Buchhändlerinnen, kompetente Beratung, ein ordentliches Angebot. Was nicht da ist, wird bestellt. Perfekt.
Heute hatte ich eigentlich geplant, in der Mittagspause flott in die Stadt zu laufen, um ein Buch zu kaufen. Eine Kollegin meinte allerdings, dass der Bahnhof – und der darin befindliche „Virgin“-Laden – doch viel näher lägen, und dort ein nicht vorhandenes Buch auch für den nächsten Morgen bestellbar sei. Gut. Einen Versuch war es wert.
Bei diesen einen Versuch wird es allerdings mit Sicherheit bleiben. Niemals mehr – nach dem morgigen Tag – werde ich diesen Laden betreten. Nicht mal für eine dringend benötigte und sonst überall vergriffene „Saveurs“-Ausgabe!
Aber von Anfang an: Ich suche erst kurz selbst nach dem gewünschten, keineswegs völlig unbekannten Buch, das ich bereits selbst in Englisch gelesen habe. Die deutsche Ausgabe wurde bereits vor Monaten in der FAZ besprochen. Da es sich um ein Geschenk handelt, gehe ich hier mal nicht weiter in die Details.
Ich finde es jedenfalls nicht, begebe mich zum Verkaufstresen und grüße die dort offensichtlich sehr beschäftigte Verkäuferin freundlich. Sodann äußere ich meinen – ziemlich präzisen – Wunsch: „Ich suche Buch XYZ von Autor ABC“. Prinzipiell keine unlösbare Aufgabe für die Angestellte eines Buchladens. Die Antwort: „Kenne ich nicht.“
Das war es dann aber auch. Sie fährt mit dem fort, das sie getan hatte, bevor ich frecherweise aufgekreuzt bin. Ich starre sie fassungslos an. Ich: „Ähhh… Haben Sie es vielleicht trotzdem da?“ Sie „Müsste ich nachschauen…“ Und dann zu ihrer Kollegin, die mittlerweile aufgetaucht ist: „Schau mal nach!“
Diese hackt den Titel in die Tastatur, nuschelt in meine Richtung „Erscheint erst Ende August“ und wendet sich ebenfalls von mir ab. Ich: „Das kann nicht sein. Das gibt es bereits seit Monaten.“ Sie: „Hier steht ‚Ende August‘.“ Ich: „Vielleicht ist das das Erscheinungsdatum der Paperbackausgabe. Als Hardcover sollte es das aber geben.“ Sie tippt. Sie schaut. Und sagt: „Stimmt. Gibt es.“ Es folgt ein erneutes, aber sehr intensives Schweigen.
Auf ihren leeren Blick hin wage ich es, ein zaghaftes „Und? Haben Sie es da?“ anzubringen. Sie: „Nein. Haben wir nicht.“ Ich erinnere mich an die Worte der Kollegin, wobei ich ehrlich gestehen muss, dass ich mich mittlerweile schwarz ärgere, in diesem Augenblick nicht einfach gegangen zu sein, und riskiere noch ein „Könnten Sie es vielleicht bestellen?“
Sie „Ja. Schon. Aber es ist dann erst morgen um 8:30 Uhr da…“ Ich: „Gut. Das reicht mir.“ Wieder ein langes Schweigen. Schließlich sie: „Ja, soll ich es dann bestellen?“ In diesem Augeblich ziehe ich ganz kurz die Möglichkeit in Betracht, über den Tresen zu springen, sie zu würgen und anschließend – begleitet von meinen Worten „Ja, warum glaubst du denn, dass ich hier noch stehe, du blöde Kuh?!“ – ohnmächtig in sich zusammensinken zu lassen.
Tue ich natürlich nicht. Stattdessen quetsche ich mir ein mühsam beherrschtes „Ja. Bitte.“ heraus. Sie notiert die Bestellung, hält dann aber mittendrin inne, um mir ängstlich zu gestehen: „Das kostet aber 22,90 Euro…“ Zu mehr als einem „Das ist o.k.“ reicht es dann bei mir auch nicht mehr. Mit einem Durchschlag des Bestellzettels in der Hand verlasse ich fassungslos den Laden.
Natürlich werde ich es morgen abholen. Aber wie gesagt: Das war es dann auch mit mir und „Virgin“. Da kaufe, wer will. Ich jedenfalls nienienie mehr. Lieber lese ich Telefonbücher. Oder Kassenbons. Oder gar nichts.

