Is-Sbuħija, Stechmücken & „Pay the Ferryman“…

Der Tag begann mit einem außerordentlich hübschen Sonnenaufgang über der Bucht. Und was der Sonnenaufgang versprach, das hielt der Tag. Was nicht hielt, war meine miserable Kondition. Aber zum Gejammer kommen wir später!

Der Himmel war bereits morgens so sagenhaft blau, dass ich mich dazu hinreißen ließ, ein kleines Video des Balkonblicks aufs Meer zu drehen und in meinen WhatsApp-Status hochzuladen. Nie waren innerhalb kürzester Zeit so viele Menschen stinksauer auf mich. Seltsam…

Als der Gatte „auftauchte“, war ich derart übermütiger Stimmung, dass ich (!) vorschlug, die Nahtodeswanderung (!!) ab Daħlet Qorrot anzugehen. Die Wanderung, bei der man sich nach der „schönen Stelle“, die man nur auf dem Hosenboden rutschend einen Abhang hinunter erreichen kann, den kompletten Weg von der Ħondoq Bay (Ħondoq ir-Rummien) bis nach Qala hinaufschleppen musste, was bislang selten ohne endloses Genöle meinerseits machbar war. Übermütig. Sag‘ ich doch!

Ich war hochmotiviert. Die „schöne Stelle“ musste bei diesem blauen Himmel dringend fotografiert werden! Die „schöne Stelle“ heißt übrigens Il-Ġebla tal-Ħalfa und ist ein Felsen zwischen Comino und Gozo. Da gerade das Herumschippern mit Partybooten von Comino aus – aus Corona-Gründen… – untersagt ist, bestand Hoffnung, den Ort in Ruhe genießen zu können.

Wir fuhren also nach Daħlet Qorrot, stellten das Auto ab und gönnten uns erstmal ein Eis. Bis dahin lief der Tag super. Ich knipste noch ein wenig herum. Dann ging es die in den Stein geschlagenen Stufen hinauf und schön flach oberhalb der Küste entlang.

Bevor wir zum Steinbruch kamen, gab es allerlei Blau zu bestaunen. Das war wirklich ein ganz besonders schöner Tag. Der perfekte Tag für die „schöne Stelle“.

Nachdem wir am Steinbruch wieder eine neue Möglichkeit finden mussten, das Gelände zu queren – ich vermute, die Steinbrucharbeiter haben Wetten laufen, wer die beste Idee hat, den Weg unpassierbar zu machen… -, kamen wir irgendwann in dichte Kalkstaubschwaden gehüllt an der seltsamen Befestigungsanlage an, von der ich bisher noch nicht herausfinden konnte, um was es sich dabei genau handelt. Vielleicht ist es auch nur ein sehr, sehr kleiner und fetter Watchtower.

Ab da wird es dann anstrengend. Es endet damit, dass man ohne nennenswerte Markierungen versucht, einen Weg zu finden, um an dessen Ende dann in Falllinie einen Anhang herunterrutschen zu können.

Man sieht den Abhang auf dem folgenden Foto ganz gut: Es ist die Stelle links neben dem Hügel in der Bildmitte.

Anschließend geht es erstmal am Wasser entang. Und alle paar Meter muss man sich umdrehen, um ein paar Fotos zu machen. So will es das Gute-Foto-Gesetz. Das ist dann praktisch schon die „schöne Stelle“.

Perfekt ist sie allerdings in dem Moment, in dem man die Salzpfannen erreicht. Das sieht das so aus:

Zum Felsen – Il-Ġebla tal-Ħalfa – gibt es einen interessanten Wikipedia-Artikel. Eine ziemlich geschichtsträchtige, „schöne Stelle“!

Da keine türkischen Piraten weit und breit zu sehen waren, bestand keine Eile. Es wurde lustig weiter fotografiert.

Während des restlichen Wegs an der Küste entlang folgte uns ein kleiner, freundlicher Hund, der plötzlich aufgetaucht war. Kurz vor Ħondoq ir-Rummien bog er dann ebenso plötzlich rechts ab und verschwand grußlos. Seltsam.

In der Ħondoq Bay stärkten wir uns mit zwei großen Bieren, um für den Aufstieg nach Qala gewappnet zu sein. Der Gatte hatte das Bier deutlich weniger nötig als ich. Er genoss einfach das In-der-Sonne-Sitzen. Mit dagegen graute es bereits vor dem endlosen Anstieg. Ich verschweige mal mein Gefluche und Gejammer bis Qala.

Bevor Nachfragen kommen: Man könnte die Wanderung auch deutlich einfacher gestalten. Dann wäre es aber keine Rundwanderung mehr. Und im Prinzip hat der Gatte auch recht: Die Stelle ist vermutlich nur dann so richtig schön, wenn man vorher ordentlich Sandsteinstaub geschluckt, Angst vor den Hunden im Steinbruch gehabt, sich einen Weg durch Gestrüpp gebahnt und sich dann todesmutig eine Böschung hinunter gestürzt hat. Ich denke, wir werden also auch zukünftig diesen Weg wählen.

Von Qala aus ging es dann durch die Gärten und an der Küste entlang zurück nach Daħlet Qorrot. By the way: Von wem stammt nochmal der Satz „Die Tomatensaison ist vorbei“?

Beim letzten Abstieg kam ich dann an meine Grenzen. Das kommt davon, wenn man sich außerhalb des Urlaubs zu wenig bewegt! Verdammt! Blöder Schreibtisch, dämliche, nutzlose Oberschenkel!!!

Ich schaffte es dennoch wider Erwarten zum Auto. Und dann in die Wohnung. Und nach kurzer Pause sogar noch auf eine Pizza ins Otters. Selbst auch nur bis zur Fressmeile und zurück wäre mir zu hart gewesen. Die Pizza Gozitana (die mit den Sardellen, Tomaten, Oliven, Kapern und Kartoffeln) versetzte mich zumindest wieder in einen Zustand, der es mir erlaubte, ohne fremde Hilfe zurück zum Aufzug zu gelangen. Und damit auch in die Wohnung. Der Gatte amüsierte sich. Schön für ihn.

Am nächsten Morgen war das Wetter immer noch super. Ich lungerte auf dem Balkon herum und starrte aufs Meer. Das langte. Fand ich.

Okeeeehhh… Zwischendurch sortierte ich noch die Fotos vom Vortag. Aber das war es dann auch.

Als der Gatte von seinem letzten Tauchgang des Urlaubs zurückkehrte, fühlte ich mich nicht mehr ganz so rekonvaleszent wie bei seinem Abgang am Morgen. Um genau zu sein: Ich fühlte mich bereit für Victoria (Ir-Rabat). Immerhin hatte ich noch vor, mich in der „Bottega del Sole e della Luna“ mit allerlei Wildkräutern und vielleicht – aber das sagte ich dem Gatten nicht! – dem ein oder anderen Geschirrtuch einzudecken.

Wir fuhren also in die „Hauptstadt“. Klingt aufregend. Aber ich sage es mal so: Ir-Rabat ist für Gozo etwa so hauptstädtisch wie Mayen es für mich als Heranwachsende war. Es ist überschaubar. Es ist gemütlich. Es passiert nicht viel. Aaaber es ist eine Stadt!

Wir hielten uns an unser bewährtes Standardprogramm: House of Gozo, Bottega, Kaffee und Kuchen am St. George’s Square. Der Kuchen – diesmal Lemon Cheese Cake – war wie gewohnt ausgezeichnet. Der Espresso ohnehin. In meiner Tasche befanden sich zahlreiche Kräuter, die Gewürzmischung für Kaninchen und zwei Topflappen im Fisch-Design. Kein neues Küchentuch. Ehrlich! Der letzte Tag auf Gozo verlief bis dahin perfekt.

Während wir so in der Sonne saßen, stellte der Gatte fest, dass er gestochen worden war. Er! Nicht ich!!! Ich war erstaunt. Da ich immer noch etwas platt vom Vortag war, ließen wir die Cittadella zum ersten Mal ausfallen und schlenderten noch ein wenig herum, bevor wir nach Marsalforn zurück fuhren.

Wir überlegten, wo wir am letzten Abend essen gehen sollten. Anfangs fanden wir immer das „Pulena“ im Hafen ganz toll, waren aber irgendwann – weshalb nochmal?! – davon abgekommen. Wir beschlossen, es aus sentimentalen Gründen nochmal auszutesten.

Auf dem Weg zur Fressmeile stellten wir fest, dass die komplette Uferpromenade gesperrt und teilweise bereits abgerissen worden war. Dass der Hafenbereich umgestaltet werden sollte, hatten wir bereits gelesen. O.k. – das geht also jetzt los.

Wir schlängelten uns durch bis zum „Pulena“ und sanken in die Stühle. Nun guuut… Ich verspürte auch einen leichten Juckreiz. Am Oberarm. Am Knie. Und auch am Ellbogen. Egal – erstmal schauen, was es so gibt.

Die Tageskarte versprach einen Lampuki. Ich war begeistert, die Entscheidung gefällt. Der Gatte nahm Pasta. Wir saßen so rum, kratzten uns an verschiedenen Stellen – jeder an seinen – und knabberten geröstetes Brot. Dazu einen Tomatensalat. Und es gab natürlich Wein.

Irgendwann nahte das Essen. Des Gatten Pasta sah super aus. Auf meinem Teller lag ein Thunfisch. Ein Thunfisch?! Ich reklamierte, dass ich eigentlich einen Lampuki bestellt hatte. Kurze Aufregung hinter den Kulissen. Unser Kellner nahte und entschuldigte sich fast schon unterwürfig. Sein Fehler, nur sein Fehler. Es täte ihm unglaublich leid und würde jetzt leider  ein wenig dauern, bis der Lampuki käme. Ich entschied mich kurzerhand, den Thunfisch zu nehmen. Allein eine halbe Stunde später essen ist doof. Und sooo schlecht sah er jetzt nicht aus, obwohl ich ihn ja eigentlich nicht bestellt hatte. Der Thunfisch näherte sich unserem Tisch ein zweites Mal. Hallo Thunfisch!

Kurz und gut – am Ende wurde er uns überraschenderweise nicht mal berechnet. Und insgesamt war es auch ein wirklich schöner Abend da so am Meer. Wir machten uns auf zu unserer letzten Nacht auf Gozo.

Und trotz des verpatzten verpassten Abschieds-Lampukis gab es morgens einen tollen Sonnenaufgang zum Kaffee. Und die Felsen am Ende der Bucht sahen so auch ein wenig wie das Azure Window aus. Hübsch!

Weniger hübsch: Wir waren zerstochen bis zum Geht-nicht-mehr. Beide. Das musste in Victoria passiert sein. Bei mir hatten sich wie üblich wieder einige Stiche entschieden zu mutieren. Mein rechter Oberarm war auf ein absurdes Maß angeschwollen. Verdammt! So kurz vor Schluss! Egal. War dann halt so.

Wir stopften alles in die Koffer, packten die Rucksäcke voll, brachten den Müll runter, obwohl das nicht wirklich zum Müllabholplan passte, und machten uns auf den Weg, um die Schlüssel abzugeben. Für jemanden, vor dessen Haus der Müll sehr viel seltener abgeholt wird, war dieser Plan übrigens sehr faszinierend. Sogar sonntags! Und ein Paradies für Denunzianten – siehe Nachsatz unten.

Wir jedenfalls begaben uns anschließend zur Fähre. Der Urlaub war zu Ende. Wer weiß schon, wann und ob es nochmal einen geben wird?! Ein letzter Blick auf Gozo. Von der Fähre aus.

Habe ich eigentlich schon mal erwähnt, dass man die Fähre auch dem Weg von Malta nach Gozo nicht bezahlen muss? Man zahlt erst auf dem Rückweg. Bedeutet: Wenn wir einfach bleiben würden, müssten wir nicht mal die Fähre bezahlen. Verlockend!

Für den Weg zum Flughafen – unser Flug ging erst nachmittags – hatten wir vor, uns Għajn Tuffieħa anzuschauen. Ich meine: ein Doppelstrand – allemal besser als nur ein Strand. Und dann noch gleich neben der Golden Bay (Ir-Ramla tal-Mixquqa), dem von einem riesigen Hotelkomplex belagerten Premiumstrand auf Malta. Also praktisch ein Triple-Strand. Hat schon fast was vom FC Bayern in seiner arrogant-verschwenderischen Unverschämtheit.

Und obendrauf gab es noch einen Watchtower. Und eine wirklich ausgezeichnete Strandbar.

Kurz gesagt: ein verdammt schönes Stück Malta! Also landschaftlich. Wirklich atemberaubend. Wir saßen dann auch nach dem obligatorischen Fotoexzess ewig in der Bar – „Singita Miracle Beach“ – mit außerordentlich freundlichem und flottem Service. Und wir teilten uns eine Pizza von der Tageskarte. Von des Gatten Hälfte mussten sämtliche Sardellenspuren beseitigt werden. Ich hatte also eine Pizza mit doppelt Anchovies. Perfekt!

Am Flughafen verlief dann alles problemlos. Der Rückflug war allerdings einer der nervigsten Flüge unseres Lebens. An Bord waren fast ausschließlich verhaltensgestörte Wahnsinnige, teils mit Kindern in allen Altersklassen. Da half nur Augen schließen und hoffen, dass es bald vorbei sein würde. War es dann auch irgendwann.

Spät abends waren wir zu Hause. Urlaub vorbei. Keine tägliche Müllabfuhr, kein Strand, keine Pastizzi tal-Lewz beim Bäcker, kein Lampuki und kein Hausfrauen-Bingo mehr im Hafen von Marsalforn. Wenn es auch nur eine Woche war, so war es doch eine Wohltat. Endlich neue Eindrücke abseits des Alltags, endlich Sonne, endlich Bewegung – auch wenn sie weh tat. Wie man das doch vermissen kann – ohne dass es einem wirklich klar ist.

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