„Reality is almost always wrong.“

Das würde Dr. House vermutlich zum meinem Synchronback-Erlebnis des vergangenen Wochenendes sagen. Ich hatte mir zwar fest vorgenommen mitzubacken, aber mir die Zutatenliste nur im groben Überflug angeschaut. Jaaa… Mehl, Sauerteig, Wasser, Salz… Alles da. Passt schon irgendwie.

Es wurde Samstag. Die ersten Teige tauchten auf Instagram auf. Meinen relativ jungen Lievito Madre hatte ich zwar freitags abends bereits aus der Kühlkammer befreit, aber vielleicht hätte ich ihn doch statt ihn nur akklimatisieren – eh das Wort des Wochenendes – zu lassen, einfach mal auffrischen sollen. Too late. Und Vollkornmehl war auch keins im Haus. Ich schwenkte kurzentschlossen auf halbe Rezeptmenge um. Ein Brot statt zwei. Sollte passen.

„Everybody does stupid things, it shouldn’t cost them everything they want in life.“

Samstags morgens also den Teig angesetzt – ausschließlich mit Weizenmehl Type 550. Keinen Vorteig diesmal, sondern gleich den endgültigen Teig. Sah nach endlosem Knetenlassen auch wirklich überzeugend aus. Geschmeidig, glänzend, tolle Konsistenz – ein echter Handschmeichler.

Er wurde gedehnt und gefaltet – stretch and fold. Und er landete für die Nacht im Kühlschrank.

„It’s been established that time is not a rigid construct.“

Als ich ihn morgens befreite, hatte er sich nicht sehr verändert. Und das ist schmeichelhaft formuliert. Stoisch dehnte und faltete ich ihn ein zweites und schließlich ein drittes Mal.

Es tat sich nichts. Er wurde etwas kompakter, aber ich war mir nicht sicher, dass er lebte. Keinerlei Blasen, kein Aufgehen. Seltsam. Ich stubste ihn an – nichts! Ich schob ihn schließlich ins Gärprogramm des Ofens – schien er etwas an Volumen zugenommen zu haben oder bildete ich mir das nur ein. Weil ich es mir wünschte?

„You could think I’m wrong, but that’s no reason to stop thinking?“

Als ich kurz davor war, in bester Emergency Room-Manier den Defibrillator anzusetzen – „Zurücktreteeeen!“ – „Badong!“ -, zuckte ich einfach mit den Schultern und schaute aufs Rezept. Was stand nochmal als nächstes an? Ach ja. Schon mal Ofen vorheizen. Ich ignorierte alle kleinlichen Bedenken und fuhr einfach fort wie mir geheißen war. Von Marcel Paa und Zorra. Eine große Hilfe war das folgende Video:

Geschnitten, geklappt, gefaltet, gekugelt, bemehlt… Mein Teigling wirkte immer noch seltsam unbeteiligt, aber ich ignorierte das jetzt einfach mal. Pfff…

Er landete schließlich im Ofen auf dem Pizzastein. Bedampft. Ich ignorierte ihn und schaute auf die Uhr. Zwanzig Minuten ignorieren. Das sollte zu schaffen sein. Und es war zu schaffen. Und ich war überrascht, was ich nach zwanzig Minuten sah: Er war aufgegangen. Und er sah aus, wie ich mir das vorgestellt hatte. Unfassbar!

Hier erstmal das halbe Originalrezept mit Anmerkungen:

Falzbrot

Portionen: 0
Kalorien:
Autor: Marcel Paa

Zutaten

  • 175 g Wasser 20-25 Grad warm
  • 85 g Sauerteig
  • 250 g Weizenmehl Type 550
  • 6 g Salz

Anleitung

Teigherstellung am Vorabend

  • Den Sauerteig mit dem Mehl und dem Wasser in der Küchenmaschine auf kleiner Stufe vier bis fünf Minuten kneten.
  • Das Salz zugeben, die Knetgeschwindigkeit erhöhen und den Teig etwa 20 Minuten weiter kneten.
  • Anschließend den Teig in ein leicht gefettetes Becken legen, abdecken und für zwei Stunden bei Raumtemperatur gären lassen.
  • In der Zwischenzeit den Teig einmal dehnen und falten:
  • Hierzu eine Seite des Teiges leicht hochziehen und den Teig an den gegenüberliegenden Beckenrand legen. Dazu Hände etwas befeuchten.
  • Dann den Teig wieder zudecken und für zwölf Stunden oder über Nacht in den Kühlschrank stellen.

Formen des Teigs am Morgen

  • Nach der Gärzeit den Teig aus dem Kühlschrank nehmen, das letzte Mal dehnen und falten und dann für etwa zwei Stunden bei Raumtemperatur akklimatisieren lassen.
  • Danach den Teig vorsichtig auf eine bemehlte Arbeitsfläche geben. Den Teigling schonend leicht rund drücken.
  • Den Teigling umkehren (glatte Seite liegt nun unten) und mit einem Rollholz die vier Seiten etwas abdrücken und nach außen rollen bzw. ziehen.
  • An den vier Laschen kleine Dreiecke ausstechen und die inneren Nahtstellen der Laschen mit etwas Wasser und die äußeren Kanten mit etwas Öl bepinseln.
  • Danach in der Mitte des Teiglings mit dem Finger ein Loch bohren und die Laschen in dieses Loch ziehen, so dass ein quadratisches "Paket" entsteht. An dieser Stelle: Video anschauen!
  • Die Teigenden gut in das Teigloch drücken, mit dem Rest des Teiges eine kleine Kugel formen und diese auf das vermeintliche Loch setzen.
  • Einen Backpapierstreifen etwas grösser als die Grösse des Teiglings schneiden und den Teigling darauf absetzen.
  • Anschliessend den Teigling großzügig mit Weizenmehl einstauben und dann für 40-50 Minuten bei Raumtemperatur gehen lassen.
  • In der Zwischenzeit den Backofen mit einer Backplatte (hier: Pizzastein) in der unteren Ofenhälfte auf 250 Grad Ober-/Unterhitze vorheizen.

Backen

  • Nach der Stückgare den Teigling rund um die Teigkugel in der Mitte mit einem scharfen Messer etwas einstechen und in die Laschen zwei Schnitte von innen nach aussen auslaufen lassen.
  • Die Teiglinge mit Hilfe einer Brotschaufel auf den Pizzastein im Ofen abschieben.
  • Den Backofen bedampfen, die Temperatur auf 210 Grad reduzieren und das Brot 20 Minuten abbacken.
  • Nach 20 Minuten die Ofentür kurz öffnen, damit der Dampf entweichen kann, und dann das Brot für weitere 30-35 Minuten knusprig ausbacken.

Das Brot war ein Traum. Da wäre Dr. House sicher einer Meinung mit mir gewesen.

„There’s nothing in this universe that can’t be explained. Eventually.“

Es war außen wie innen ein Traum. Die lange Kneterei erinnerte mich an meinen ersten Ciabatta-Versuch. Das hatte damals alle Dämme brechen lassen, was die Dauer von Kneten in der Küchenmaschine angeht.

Wer diesmal dabei war bzw. wo es noch weitere, diesmal wirklich allesamt hervorragende Ergebnisse zu sehen gibt? Bitte sehr:

zorra von 1x umrühren bitte aka kochtopf * Britta von Backmaedchen 1967 * Ilka von Was machst du eigentlich so?! * Caroline von Linal’s Backhimmel * Kathrina von Küchentraum & Purzelbaum * FEL!X von Fel!x Kitchen * Bettina von homemade & baked * Sarah von Kinder, kommt essen! * Laura von Aus Lauras Küche * Birgit M. von Backen mit Leidenschaft * Nadja von Little Kitchen and more * Petra von genusswerke

Danke mal wieder an Zorra für die perfekte Rezeptauswahl. Und an alle Mitbäcker*innen für den Spaß, den das jedesmal macht. War toll mit euch. Und ich freue mich schon aufs nächste Mal.

20 Kommentare

  1. Es macht immer wieder Spaß, deine Texte zu lesen. Zum Glück hast du dem Teig eine Chance gegeben. Dein Ergebnis kann sich echt sehen lassen.

  2. Die Moral der Geschicht, einfach nicht beirren lassen oder auch Ende gut alles gut! Ich muss sagen, deine Nerven möchte ich haben. Ich hätte ihn wohl entsorgt. Aber gut, dass du das nicht gemacht hast.

  3. Na Mensch, im Durchschnitt waren unsere Teige normal. Deiner etwas behäbig und meiner wollte sich glatt den Kühlschrank genauer angucken. Aber alles nochmal gut gegangen. Sind jedenfalls sehr schöne Exemplare geworden.
    Liebe Grüße
    Ilka

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