… verliefen sich im Wald.
Es war so finster und auch so bitter kalt…“
Finster war im Prinzip nur mein Laufstil. Kalt konnte mir erst gar nicht werden, weil ich mich zielstrebig für die falsche (zu dicke) Jacke entschieden hatte. Aber verlaufen habe ich mich wirklich. Und das nicht zu knapp.
Der Plan beim Verlassen des Hauses lautete: Ich laufe jetzt als Referenzrunde die Waldschleife, die ich mit dem Bauherren bereits mehrfach absolviert hatte. Diese gilt es dann einmal pro Woche zu wiederholen und darauf zu hoffen, dass die Zeiten sich deutlich verbessern. Der Plan war nicht schlecht, wie bei vielen meiner hervorragenden Pläne scheiterte er jedoch an der Durchführung.
Dazu muss unbedingt noch angemerkt werden, dass so etwas wie Orientierungssinn bei mir nicht wirklich vorhanden ist. Um diese Behauptung zu untermauern, möchte ich nur einmal zwei Beispiele aus meiner Mainzer Anfangszeit anführen. Ausgestattet mit ein paar Tipps eines Bekannten zu Lokalitäten, die man mal auf ein Bier oder einen Kaffee aufsuchen könnte, und mit einem Stadtplan in der Tasche, machte ich mich auf den Weg. Das „Quartier Mayence“ war flott (aber rein zufällig) gefunden. Als nächstes hatte ich das „Ballplatzcafé“ anvisiert. Ein Fußweg von 160 Metern trennt die beiden. Da ich jedoch keinesfalls den Stadtplan benutzen oder Passanten fragen wollte, um mich nicht als Neubürgerin oder – schlimmer! – Touristin oder – am allerschlimmsten!!! – Mädchen vom Lande zu outen, brauchte ich für diese Strecke ganze eineinhalb Stunden. Immerhin fand ich mich ab diesem Tag ganz gut in der Altstadt zurecht…
Mein erstes Zimmer befand sich in Weisenau am Rande des Volksparks in der Nähe der Jugendherberge. Für Jemanden, der sich das Ganze mal auf einer Karte angeschaut hätte, wäre das – beim Queren von Stadt- und Volkspark – ein Fußweg von nicht mal zwei Kilometern gewesen. Ich legte jedoch fast ein Jahr lang samstags und sonntags im Morgengrauen eine Strecke von ungefähr sechs Kilometern zurück. Und das müde und erschöpft nach einer durchtanzten Nacht. Als ich kurz vor meinem ersten Umzug feststellte, dass das auch einfacher ging, überlegte ich mir, ob ich nicht vielleicht doch besser ab und an mal einen heimlichen Blick in die Karte geworfen hätte…
Gut. Mit diesen Altlasten im Gepäck machte ich mich also heute morgen zeitig auf die geplante „Referenzrunde“. Bis zum Trafohäuschen war auch noch alles im grünen Bereich, als es dann jedoch in den Wald hineinging, verlor ich den Überblick. Ich testete drei mögliche Abzweigungen, fand aber jeweils nach einer Weile, dass mir da gar nichts bekannt vorkam, wo ich gerade war, und drehte immer wieder um. Am Ende der Waldweg versank im Schlamm…) steckte ich auf und lief den Weg zurück, den ich gekommen war. Selbst abzüglich der Gehpausen wegen Schlammlöchern oder zu steilen Wegabschnitten kam ich am Ende noch auf über eine Stunde Laufzeit. Der Plan war zwar komplett gescheitert, aber immerhin hatte das Scheitern mir drei wertvolle Pünktchen eingebracht.
Den Rest des Tages verbringe ich jetzt lieber socken- und filzpantoffelstrickend auf dem Sofa. Den Weg in die Küche werde ich von da aus wohl noch finden, falls ich Hunger oder Durst bekommen sollte. Notfalls lege ich eine Spur aus Brotkrumen…



