Eat Pray Love – The Gozitan Way

Wir sind auch in diesem Jahr wieder auf Gozo gelandet. Wie könnte es anders sein?! Diese Oktoberwoche aktiviert alljährlich noch einmal die letzten Reserven, um das Jahr halbwegs ordentlich zu Ende zu bringen. Es gibt Urlaube, in denen man an jeder Ecke Neues entdeckt. Und es gibt Urlaube, die wie „nach Hause kommen“ sind. Der Gozo-Urlaub gehört in die zweite Kategorie.

Ich habe nachgeschaut. Wir waren inzwischen zum siebten Mal auf Gozo. In Folge. Und da kann man schon fast von Tradition reden, wenn wir alljährlich zum Beginn des Urlaubs – das hat sich über die Jahre so eingebürgert – den beschwerlichen und steilen Weg zur San Blas Bay als erstes in Angriff nehmen. Ein Weißwein, ein Cisk – und stundenlanges Aufs-Meer-Starren entspannen uns immer so weit, dass Gedanken an den Alltag dabei unweigerlich auf der Strecke bleiben. Tschüss, nervige Bodenhaftung!

Freitags hatten wir nämlich beide noch gearbeitet. Bis mittags. Nachmittags ging es dann zum Fraport. Wir waren im Besitz zweier Business Class Tickets, die zum Zeitpunkt der Buchung etwas günstiger als die Economy Tickets für den gleichen Flug waren. Glück gehabt. Wir starteten etwas früher, da das mit dem Warten am Flughafen ja prinzipiell kein Problem ist, wenn man in die Business Lounge darf.

Hätte auch super geklappt, wenn wir nicht fast eine Stunde in der Hauptwache auf eine S-Bahn zum Flughafen hätten warten müssen. Es wurde knapp. Sehr knapp. Nicht für den Flug, aber für die Business Lounge.

Fünf Minuten vor dem Beginn des Boardings war das Gepäck aufgegeben, die Sicherheitskontrolle passiert und es standen zwei Gin Tonics vor uns. Mission accomplished! Da das Mischungsverhältnis bei nahezu 1:1 lag, lief die Sache erstmal rund. Sehr rund. Es war nicht ganz das Peter-Cafe-Sport-Feeling – dafür war alles zu knapp -, aber es kam nahe heran.

Im Flieger hatten wir dann auch endlich mal etwas Platz und es gab tatsächlich etwas zu essen, das den Namen verdient hatte! In einem Flugzeug. Fast unglaublich.

Der Krabbensalat mit Fenchel und die Mousse mit zweierlei Fruchtpürée waren tatsächlich essbar. Und das lag nicht am Gin Tonic. Ehrlich. Und auch nicht daran, dass es praktisch abends um neun unser Frühstück war. Für mehr als zwei Knäckebrote war an diesem Tag nämlich bis dahin keine Zeit geblieben.

Es folgte, was immer folgt: Landung in Luqa, Suche nach dem Mietwagenschalter (diesmal dadurch erschwert, dass man sämtliche Autovermieter in einen anderen Flughafenteil verschoben hatte), Fahrt nach Ċirkewwa (auch komplizierter als sonst, da wegen Bauarbeiten die übliche Flughafenausfahrt gesperrt war und wir bei völliger Dunkelheit auf unbeleuchteten Nebenstraßen unterwegs waren), Überfahrt mit der Fähre nach Mġarr (wir hatten wieder mal die Ta’Pinu erwischt und werteten es als gutes Omen) und Fahrt zur Wohnung (in einem neu erbauten Haus, das wir erst suchen mussten).

Irgendwann kurz vor drei Uhr fielen wir in unser Bett und in einen todesähnlichen Schlaf. Vier Stunden später klingelte der Wecker. Des Gatten erster Tauchgang rief. Noch halb betäubt schauten wir uns die Wohnung an. Ich sorgte für Kaffee. Nachdem ich hocherfreut eine italienische Espressomaschine entdeckt und mit gemahlenem, mitgebrachtem Espresso angeworfen hatte, erwies sich der Plan überraschenderweise als nur semi-genial. Es gab keinen Gasherd, sondern ein Ceranfeld! Und die winzige Kanne bedeckte halt nur etwa ein Viertel der kleinsten Platte, die trotzdem lustig komplett glühte. Als ich sie abwischen wollte, blieben winzige Teile des Spüllappens daran kleben und rochen gefährlich. Induktion, ich liebe dich!

Zur Wohnung: Sie ist so wahnsinnig neu, dass sie USB-Steckdosen hat! Und überhaupt Steckdosen, in die unsere Stecker ohne Adapter passen! Und eine sehr schöne, geschmackvolle und null kitschige Ausstattung. Gegen Mittag entdeckte ich noch zwei weitere Schlafzimmer mit zwei weiteren Bädern. Und einen zweiten Balkon. Dazu eine Spülmaschine, eine Waschmaschine und einen hochgebauten Backofen. Den würde ich noch brauchen. Der Plan sah schließlich vor, dass ich irgendwie noch an Zorras World Bread Day teilnehmen würde.

Als der Gatte wieder auftauchte, stand also als primärer Programmpunkt ein Besuch der San Blas Bay an. Wir schafften es sogar noch, vorher bei Grech’s Bakery in Nadur Brot, Ftira und weitere lebenswichtige Produkte zu erwerben. Aber dann gab’s nur noch eins: Auto abstellen und Abmarsch!

Direkt am Einstieg in den Abstieg am Ortsrand von Nadur hatte unser stets freundlicher und gutgelaunter Kiosk-Freund ein neues Werbeschild aufgestellt. „Cash only, no internet“ klang dabei irgendwie wie ein sehr cooles Lebensmotto. Wir stiegen ab durch die Gärten zum Strand.

Als wir ankamen, war alles wie immer. Gut… Die Tische standen etwas anders, aber darüber sahen wir großzügig hinweg. Ein Wein, ein Bier und eine geteilte Portion Calamari fritti später war unsere Welt absolut in Ordnung. Wir schauten aufs Meer. Das Wetter besserte sich zusehends. Es gab immer noch nicht nur „no internet“, sondern absolut überhaut keinen Handyempfang. Ein Traum nach Wochen voller Online-Termine und beständigen Firmenhandyklingelns!

Nach Stunden kehrten wir gaaanz laaangsaaam in die Realität zurück, hielten auf dem Heimweg noch bei Lidl und Lighthouse, um unsere Grundbedürfnisse nach Wasser, Käse und einer Haarbürste (ich dachte, ich hätte meine zu Hause vergessen, fand sie dann aber zwei Tage später im Rucksack…) zu befriedigen. Zurück in der Wohnung wählten wir den Balkon mit der Abendsonne – unsere beiden Balkone lagen jeweils auf zwei gegenüberliegenden Seiten des Hauses – und entspannten uns weiter. Fürs Abendessen war das „Kartell“ eingeplant. Aber es war noch reichlich Zeit bis dahin.

Als wir an der Waterfront eintrafen, war das „Kartell“ leider bis auf den letzten Platz besetzt. Verdammt! Wir liefen erst bis ans eine Ende der Bucht („Arzella“ – ebenfalls proppenvoll) und dann einmal in die andere Richtung bis zum „Otter’s“. Und erwischten dort einen Tisch! Auch gut.

Die viele Rennerei auf der Jagd nach Essen sorgte dafür, dass wir uns etwas weniger schlecht fühlten angesichts der bevorstehenden Völlerei. So weit der Plan. Vier Guillardeau-Austern, eine Portion hausgemachte Quadrucci al Gamberetti, Carciofi e Chorizo und einen Lampuki (!) später sahen wir ein, dass das rein gar nichts gebracht hatte. Der Gatte musste den Nachtisch ausschlagen. Ich orderte einen Erste-Hilfe-Espresso. Wir schafften es bis zum Haus. Und das hatte einen Aufzug. Puh!

Auch am zweiten Morgen brach der Gatte zeitig zur Tauchbasis auf. Ich bereitete den Kaffee mit meiner neuen „Kaffeemaschine“ – bestehend aus einem neuerworbenen Sieb aus dem Lighthouse, einem Topf und einer mitgebrachten Filtertüte. Problem gelöst! Ging hervorragend. Der Gatte konnte vollständig koffeiniert das Haus verlassen.

Während seiner Abwesenheit erlebte ich ein Weltuntergangsgewitter vom Feinsten und anschließend einen Regenbogen über dem Haus gegenüber. Der eine Balkon wurde geflutet, der andere blieb trocken. Ausgezeichnet! Ich plädiere für Doppelbalkone für alle!

Ich wälzte Rezepte und klebte zahlreiche Merker in Ottolenghis „Shelf Love“ und in Caruana Galizias „The Food and Cookery of Malta and Gozo“. Dann setzte ich einen ersten Brotteigversuch an. Irgendwann muss man ja beginnen, wenn man am 16. Oktober ein Brot-Blogpost online gehen lassen will. Mehl, Salz und Hefe hatte ich vom Einkaufen mitgebracht. Wasser kam aus der Leitung. Mehr braucht man ja gottlob für ein Brot nicht.

Als der Gatte mittags ein traf, zimmerten wir ein Programm für den restlichen Tag zusammen. Ta’Pinu, der zugehörige Kreuzweg, der Leuchtturm von Għarb, Victoria. Das Wetter sah gut aus. Ta’Pinu lag im Sonnenschein wie immer mitten in der Landschaft und sah herrlich aus.

Zu Ta’Pinu habe ich ja bereits einige Male etwas gesagt: 201620172019. Ein Besuch dort ist eigentlich Pflichtprogramm. So auch dieses Mal. Allerdings hatten wir geplant, auch den Kreuzweg auf der anderen Straßenseite in Angriff zu nehmen. Den hatten wir in den Urlauben vorher jeweils ignoriert.

Ich sag’s gleich: Künstlerisch ist er recht bedenklich. Die damit betrauten Bildhauer (es handelte sich offensichtlich nicht nur um einen) waren von Michelangelo etwa so weit entfernt wie Armin Laschet vom Kanzleramt. Jesus wirkte abwechselnd genervt, gelangweilt oder seltsam unbeteiligt – selbst bei seiner Kreuzigung. Allerdings boten die lebensgroßen Figuren ganz wunderbare Motive vor dem blauen Himmel. Ich eskalierte also fototechnisch mal wieder.

Durch die Bilderjagd von Station zu Station war der zugegebenermaßen relativ moderate Anstieg kaum spürbar. Der Himmel erreichte seinen dramatischen Höhepunkt exakt als wir bei Christi Himmelfahrt ankamen. Der Panoramablick beim Anstieg und auch oben auf dem Berg macht diesen Kreuzweg zudem zu einer lohnenden Sache.

Die Cittadella von der Rückseite, der Leuchttum von Għarb, Żebbuġ und selbst die riesige Kuppel der Kirche von Xewkija – alles wunderbar in die gozitanische Landschaft gebettet. Meer ringsum. Und immer wieder der Blick zurück auf Ta’Pinu. Ein Traum!

Als wir wieder unten waren, besuchten wir natürlich noch Ta’Pinu. Ich habe eine Arbeitskollegin, die dringend ein Wunder gebrauchen könnte. Wir gingen hinein, ich setzte ein Stoßgebet ab – und als wir wieder herauskamen, war alles komplett nass. Es musste in der Zwischenzeit einen regelrechten Wolkenbruch gegeben haben. Nun war der Himmel allerdings schon wieder strahlend blau. Unfassbar.

Das etwas deplaziert anmutende Christus-mit-Dornenkrone-Bild direkt vor der Kirche an der Straße stammt aus einem Projekt von Menschen, die Plastikmüll gesammelt und diesen anschließend zu einem Mosaik zusammengesetzt hatten. Es besteht größtenteils aus den Böden von Plastikflaschen. Mehr Infos: cast-out.com

Eigentlich wollten wir anschließend zum Leuchtturm von Għarb, den wir ja schon von oben gesehen hatten, aber die Straße war gesperrt. So werden wir ihn wohl auf kommendes Jahr verschieben müssen. Den Besuch, nicht den Leuchtturm. Wir fuhren nach Victoria / Ir-Rabat. Der Plan – mein Plan… – war, ziellos durch die Straßen zu laufen und Fotos zu machen. Möglichst durch Straßen, die wir noch nicht kannten.

Der Plan lief gut, die Speicherkarte füllte sich. Und ein Pastizz gab es am Ende noch als Zugabe. Und ein Eis. Das aber erst, nachdem wir bei einem geplanten Besuch in „Tapie’s Bar“ die Segel strichen. Außen war alles besetzt – bis auf einen Tisch, der allerdings mit den leeren Bierdosen des Nachbartischs und einem Berg von Pistazienschalen belegt war. Wir zogen die Masken an und betraten den Innenbereich.

Kein Mensch mit Maske trotz Zettels an der Tür. Und unter dem „No smoking“-Schild saßen mehrere Kettenraucher, die den gesamten Raum in dichten Nebel gehüllt hatten. Vielleicht doch ein wenig zu „authentisch“ für uns. Fand ich. Der Gatte machte sich den Rest des Tages darüber lustig, dass ich den Laden unmittelbar nach dem Betreten einmal durchschritten und dann sofort wieder verlassen hatte. Und das als ehemalige Thekenkraft in Mainzer Kneipen mit ähnlicher Klientel. Zu alt? Vermutlich!

Wir ließen uns gegenüber vor einer Eisdiele nieder – umringt von etwas älteren gozitanischen Männern, die ebenfalls ziemlich alkoholisiert waren und beständig Unverständliches über den gesamten Platz gröhlten. Der Gatte lachte sich schlapp und meinte, näher seien wir dem echten Gozo in all den Jahren nicht gewesen als hier in den letzten zehn Minuten. Das stimmte wohl.

Es ging noch ein bißchen weiter durch die engen Straßen Victorias, bevor wir zum Auto zurückkehrten und „nach Hause“ fuhren. Für den Abend hatten wir einen Tisch im Il-Kartell erwischt. Vorher bastelte ich noch ein wenig an meinem Brot und bearbeitete die Fotos des Tages.

Das Essen im Kartell war wieder einmal ausgezeichnet. Auf der Tageskarte standen die hervorragenden Fish Cakes. Wir teilten uns eine Portion. Ihnen folgten Linguine al Kartell (fresh Pasta served with fresh mixed shellfish, calamari, prwans, in garlic, herbs and white wine with a hint of marinara sauce) für den Herrn und der Fish of the Day (ich entschied mich für red mullets) für die Dame. Warnung: Die unterbelichteten Handyfotos sind gruselig und dienen ausschließlich zu Dokumentationszwecken. Unteres Foto: Wir machten keine Feinde! Außer Salat.

Nach unserer Rückkehr warf ich den Ofen an. Der erste Brotversuch musste noch durchgezogen werden. Er wird in die Geschichte eingehen als der Brotversuch, mit dem ich bis dahin dem Original am nächsten gekommen war. Es fehlte wirklich nicht mehr viel. Ich war derartig enthusiasmiert, dass der Gatte irgendwann begann, mit den Augen zu rollen. Egal! Ich war in der Spur! Definitiv!

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