An der Brezel verhoben

Gut. Bretzenheim bzw. Brezelbach ist einer wenigen Mainzer Vororte, in denen ich nie gewohnt habe. Vielleicht liegt es auch daran. Man weiß es nicht. Bretzenheim trägt die Brezel sogar im Wappen. Als ich das erste Mal in Mainz war, war das anlässlich einer Kursfahrt mit meinem Erdkunde-LK. Unser Kursleiter hatte in Mainz studiert. Ich erinnere mich noch genau an seinen Tipp auf der Hinfahrt im Bus: „Ihr müsst mindestens eine Brezel essen. Am Höfchen. Ob bei ‚Ditsch‘ oder ‚Geppert‘ müsst ihr selbst entscheiden.“ Ich entschied mich für ‚Geppert‘. Die Schlange war kürzer.

 

Als ich schließlich im Oktober 1987 zum Wintersemester frohgemut in die bunte Welt der Germanistik durchstartete, landete ich in Mainz. Eigentlich wollte ich nach Köln, hätte auch in beiden Städten einen Studienplatz gehabt, aber es ergab sich, dass ein Bekannter sein Zimmer in Mainz exakt zu diesem Zeitpunkt aufgeben wollte – und so kam es, dass ich meinem Geburtsbundesland treu blieb.

Und irgendwann bereute ich es auch nicht mehr. Wer brauchte schon den Alten Wartesaal, wenn es das KUZ gab? Eben! Ich zog von Weisenau in die Altstadt, von der Altstadt (Neutorstraße! Damals noch ein heißes Pflaster!) in die Mombacher Straße, von der Mombacher Straße in die Gärtnergasse, dann nach Mombach und schließlich in die Kurfürstenstraße in der Neustadt. Kiez gefunden. Angekommen!

Und auf all diesen Wegen begleitete mich Laugengebäck, mit dem ich bis dahin keinerlei Berühungspunkte hatte. Überraschung! Man kann sich während des Studiums auch tagelang davon ernähren. Gut. Frieden, Bier und Sonnenschein schaden auch nicht.

Soviel zu Mainz. Und den Brezeln der Vergangenheit. Kommen wir also nun endlich zum Thema. Laugengebäck. Synchronlaugengebäck um genau zu sein. Zorra und Sandra luden mal wieder zum Synchronbacken ein. Und obwohl ich ja gerade nichts esse, konnte ich bei DIESEM Rezept nicht nein sagen.

Ich hatte mich schon einmal an Laugenkonfekt versucht. Das war schon recht ordentlich. Aber ein neuer Versuch schadet nie.

Samstag setzte ich den Vorteig an. Und ich muss gestehen, dass ich ihn ein ganz klein wenig von der Küchenmaschine bearbeiten ließ. Erster Gang, harmloser Knethaken, nur gaaaanz kurz. Ehrlich.

Das Ergebnis war jetzt nicht gerade der Brüller. Ich begann zu zweifeln. Am Teig und an mir. Ich parkte ihn schließlich für die Nacht im silbernen Freund.

Irgendwann kurz vor dem Sofa-Koma las ich einen Kommentar von Kathrina auf Instagram, der mich dazu brachte, meine müden und kraftlosen Gebeine doch nochmal zum Kühlschrank zu schleppen. Aus Neugier. Sah etwas besser aus. Beruhigt schlafen funktionierte.

Morgens war ich ein wenig enttäuscht – so nach dem Motto „Ist das etwa alles?!“ Insta-Kontrollgang. Das sah überall deutlich blasiger und fluffiger aus. Verdammt! Am Ende ein Totalausfall! Oh! Durchgefallen? Schrecklich Wort. Wie sag‘ ich’s dem Vater? Wie der Mutter? Wie der Geschwister siebenköpf’ger Schar?!

Ich beschloss, die Opossum-Taktik anzuwenden und schabte ungerührt den Klumpen mit dem Rest der Zutaten in die Rührschüssel. Es kam nicht schlimm. Es kam schlimmer. Und noch schlimmer.

Meine Hochzeitsgeschenk-KitchenAid knetete sich fast zu Tode. Ich stand daneben und legte ihr die Hand auf. Sie wurde schon ganz schön heiß. Als sie begann, nach angeschmorten Kondensatoren zu riechen, schaltete ich sie aus.

Der Teig machte mittlerweile auch einen ganz passablen Eindruck. Allerdings bekam ich die Schüssel nicht herausgedreht. Ich rief um Hilfe. Der Gatte drehte, ich versuchte, die Maschine zu halten. Keine Chance. Verdammt!

Wir brauchten am Ende etwa zehn Minuten, um das Ding herauszubekommen, und es funktionierte nur, weil ich kurz vor dem Verlust meiner Selbstbeherrschung auf die Idee kam, Olivenöl löffelweise ins Gewinde zu tropfen. Dass die Schüssel mal schwer los geht, kenne ich ja schon, aber das….!

Am Ende waren die KitchenAid, der Teig und die Ehe gerettet – und es konnte ans Formen gehen.

Ich sag’s mal so: Ich wollte eine große Produktpalette und entschied mich für Brezeln, Zöpfe, Brötchen und Stangen. Perfekt waren am Ende die beiden Zöpfe. Die Brötchen waren gut, die Stangen akzeptabel. Aber die Brezeln. Ein Fiasko!

Aber erstmal „mein“ Rezept – ich blieb sehr nahe am Original:

Laugengebäck, zweiter Versuch

Gericht: Brotkörbchen
Kalorien:

Zutaten

Vorteig:

  • 500 g Weizenmehl, Type 550
  • 270 g Wasser
  • 5 g Hefe

Hauptteig:

  • Vorteig
  • 500 g Weizenmehl, Type 405
  • 230 g Wasser
  • 20 g Kristallzucker
  • 22 g Meersalz
  • 15 g Hefe
  • 30 g Schweineschmalz

Lauge:

  • 50 g Natron
  • 800 ml Wasser

Oben drauf:

  • grobes Meersalz, gehackte Kürbiskerne, Sesam – oder was sonst so zur Hand ist

Anleitung

  • Für den Vorteig Hefe in etwas lauwarmem Wasser auflösen. Mit dem Mehl und dem restlichen Wasser auf der niedrigsten Stufe der Küchenmaschine nur eben verrühren lassen. Mit einem feucht-warmen Handtuch abdecken und eine Stunde bei Zimmertemperatur gehen lassen. Anschließend für 17 – maximal 48 - Stunden im Kühlschrank parken.
  • Für den Hauptteig den Vorteig, das Mehl, das Wasser, den Zucker, das Salz und die Hefe von der getreuen Küchenmaschine kneten lassen. Das Schmalz derweil auslassen und zugeben, wenn die Maschine beginnt zu weinen. Weiterkneten lassen. Insgesamt etwa sieben Minuten. Die Teigtemperatur sollte dabei 25°C nicht überschreiten.
  • Teig etwa 15 Minuten ruhen lassen und anschließend in etwa 110 Gramm schwere Teigstücke teilen. Diese zu runden Teigkugeln schleifen. Kurz entspannen lassen.
  • Dann je nach Wunsch formen und zur Gare auf Backpapier geben. Nochmals etwa 15 Minuten gehen lassen.
  • Derweil Natron und Wasser in einen Topf geben und aufkochen. Die Teiglinge mit einem Schaumlöffel in die Lauge geben, kurz ziehen lassen, herausfischen und gut abtropfen. Wieder auf ein mit Backpapier belegtes Blech geben.
  • Die noch feuchte Oberfläche mit Salz oder Saaten bestreuen und Teiglinge einschneiden.
  • Bei 220°C Ober-/Unterhitze etwa 15 Minuten abbacken – dabei in den ersten Minuten die Ofentür leicht geöffnet lassen (Kochlöffel). Nach Erreichen der gewünschten Farbe herausnehmen. Zweites Blech ebenso behandeln.

Grundsätzliches:

1. Die Teigmenge sollte entweder in zwei Teilen geknetet werden, oder aber man macht nur die Hälfte des Rezepts. Außer man hat für diesen Tag zufällig nicht Besseres vor, als seine Küchenmaschine zu himmeln. Oder man will ohnehin eine neue. Dann passt das auch.

2. Einschneiden mit dem Messer – und meins war wirklich scharf – war nicht zielführend. Die mit der Schere malträtierten Teiglinge platzten wesentlich hübscher auf.

3. Brezeln. Brezeln müssen geübt werden. Zumindest, wenn man möchte, dass man hinterher den Himmel durch die Aussparungen sehen kann. Meine waren am Ende zwar „knuffig“, aber keine Brezeln mehr. Ich denke, hier macht Übung den Meister.

4. Laugengebäck an sich ist recht einfach herzustellen. Auch wenn das Rezept jetzt etwas lang geworden ist. Ich hielt seine Herstellung jahrelang für Herrschaftswissen, isses aber nicht.

5. Sobald ich wieder „richtig“ esse, taue ich mir eins von den eingefrorenen Brötchen auf und esse es mit Salzbutter.

6. Für alle, die bis hierher gelesen haben: Mein Synchrontoast im Versuchsglas ist jetzt – nach vier (oder fünf?) Wochen frisch wie am ersten Tag. Ich werde es nicht öffnen. Ich warte noch. Und gebe dann nochmals Rückmeldung.

Wer auch gelungene Brezeln – und weitere Laugenvariationen – sehen will, schaut am besten mal hier vorbei:

Zorra vom Kochtopf

Britta von Backmaedchen 1967

Birgit von Birgit D – Kreativität in Küche, Haus & Garten

Kathrina von Küchentraum & Purzelbaum

Dominik von Salamico

Petra von gfNatürlich

Tina von Küchenmomente

Sonja von Soni – Cooking with love

Judith von Bake my day – glutenfrei

Anna von teigliebe

Birgit M. von Backen mit Leidenschaft

Simone von zimtkringel

Tamara von Cakes, Cookies and more

Conny von Mein wunderbares Chaos

Volker von volkermampft

Sylvia von Brotwein

Und zuletzt noch zum Mitnehmen:

17 Kommentare

  1. Sehen doch alle top aus und diese Krume!! Da krieg ich gleich wieder Lust auf Laugengebäck. Leider bei mir schon alle. Wie kannst du eigentlich backen und dann nichts davon essen? Chapeau, ich könnte das nicht.

  2. Richtig cool geschrieben dein Artikel. Falls es dich beruhigt: Der Vorteig bei mir, der es am Ende geworden ist hat sich kein Millimeter bewegt vom Ansatz bis zum Ende… Dagegen ist deiner wirklich ultra voluminös geworden! Hut ab!

  3. Es war wie immer ein Fest, deinen Beitrag zu lesen. Tatsächlich ging es mir mit dem Teig, der Kitchen Aid samt Schüssel und Ehemann genauso wie dir! Nur auf das Olivenöl bin ich nicht gekommen…
    Aber komm, die ganze Arbeit hat sich gelohnt. Dein Laugengebäck sieht super aus!
    Liebe Grüße
    Tina
    PS. Psssst. kann es sein, dass du die Linkliste noch nicht eingefügt hast 😉 ?

    1. Danke! =)
      Olivenöl hat mir diese Woche zweimal gute Dienste erwiesen. Nach der Kitchenaid-Aktion habe ich tagsdrauf den Rollcontainer einer Kollegin damit aufbekommen. Ich denke, ab sofort habe ich immer ein Fläschchen in der Handtasche 😀
      P.S.: Puh! Danke! Sofort nachgeholt…

  4. Ha, und ich dachte schon, nur meine Küchenmaschine stirbt fast am Teig! Ich war dann gnädig und habe von Hand weiter geknetet.
    Ich finde dein Gebäck übrigens hübsch. Fenster in der Brezel, oder nicht!
    Liebe Grüße
    Simone

  5. Liebe Manuela,
    ich weiß schon, warum ich mich an die Brezel gar nicht erst herangetraut habe. Tückisches Gebäck! Nichtsdestotrotz sieht das alles ganz toll aus, was Du da aus dem Ofen gezogen hast. Apropos: Ich hätte schon wieder Lust auf Laugengebäck.
    Herzlichst, Conny

  6. Sieht doch sehr lecker aus. Meine Brezeln waren leider auch ein Fiasko. Zumindest nach dem Backen. Da gab es nämlich leider einen kleinen Unfall den die Brezeln nicht ganz unbeschadet überstanden haben 🙂
    Liebe Grüße

  7. Toll Variation von dem Laugengebäck. ich finde selbstgebacken darf auch so aussehen und das macht es ja gerade so schön.
    Ich habe mich bewusst gegen Brezeln entschieden 🙂 aber so lange es schmeckt ist das Aussehen ja egal 😉

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