Kiloweise Hochglanzwitzischkeit

„Im Reich der Sinne“, „Harmonische Kontraste“, „Ideen für die neue Freude am Wohnen“, „Gartenträume“ – alles vollmundige Versprechungen aus den 16,3 Kilogramm Hochglanz-Altpapier, die sich auf meinem Küchentisch angestaut haben (und das ist nur das, was auf dem Küchentisch liegt…).

Offensichtlich ist im Bereich „Nepper, Schlepper, Bauern… ääähhh… Bauherrenfänger“ kein Papier hochwertig, keine Beschreibung schwülstig und keine Formulierung pseudo-pfiffig genug.

Was bringt einen Marketingmenschen dazu, sein Pflastersteinsortiment ausgerechnet Terra Venetiana zu nennen und die Beschreibung mit den Worten „Venedig. Inspiriert vom Zauber dieser Stadt.“ zu beginnen? Klar! Bei Venedig assoziiert man natürlich sofort breite, gepflasterte Einkaufsmeilen. Ob es viele Städte mit weniger Straßenpflaster gibt? Warum nicht gleich auch noch den Rollrasen „Sahara“ oder Klettertouren in der Po-Ebene mit ins Programm packen?

Sehr schön auch folgende Formulierung aus dem Prospekt eines namhaften Möbelherstellers: „Massivholzmöbel und hohe Handwerklichkeit auf der einen Seite – pfiffige Funktionen, moderner Look und spannender Materialmix auf der anderen? In ‚Alana‘ steckt alles. Ob Sie sich schöne Einzelmöbel aus diesem hochwertigen Programm aussuchen oder gleich ganze Funktionswände zusammenstellen: Es hängt nur davon ab, wieviel Geschirr, Kochbücher etc. Sie unterbringen müssen. Denn ‚Alana‘ setzt Ihnen keine Grenzen.“ Schön, dass wenigstens ‚Alana‘ mir keine Grenzen setzt. Blöderweise setzt mein Geldbeutel aber ‚Alana‘ Grenzen. Weiterhin: Was bitte ist „hohe Handwerklichkeit“? „Handwerklichkeit“ selbst kommt als Wort nicht mal im Duden vor! Was ist das Gegenteil? Niedrige Handwerklichkeit? Tiefe Handwerklichkeit? Witzig!

Ob die Formulierung „Sanitärkeramik. Extrem belastbar und dauerhaft schön. In ihr steckt mehr als man von außen sehen kann.“ wirklich in die vom Hersteller beabsichtigte Richtung geht oder ob der Werbetexter ein echter Scherzkeks war – man weiß es nicht. Immerhin erinnert sie einen daran, doch lieber zukünftig darauf zu achten, dass der Klodeckel auch wirklich geschlossen ist.

Fast brutal mutet folgender Werbetext an: Erst wird der Kunde mit allerlei fast hypnotisierenden Worten in eine herrliche Sommertraumwelt gelockt („Farbig – fröhlich – frisch! Drei Küchenvorschläge, die nicht nur durch ihre außergewöhnliche, unkonventionelle Küchenarchitektur brillieren, sondern auch die Sonne des Südens und alle damit verbundenen Erinnerungen ins Haus bringen.“), um ihn dann erst mit den Unzulänglichkeiten seiner Räumlichkeiten zu konfrontieren und anschließend mit Beratung zu bedrohen: „Was die Planung speziell unter Dachschrägen, Erkern und Nischen (Anm.: „unter Nischen“? Wie das?!) betrifft, sind Sie mit unserem Küchensystem ebenfalls auf der Sonnenseite. Ihr Küchenspezialist berät Sie hierzu gerne.“ Grmpf! Da ist man doch gleich versucht, mit „Ooooch nööö. Geht schon. Ich will mich nur mal umschauen.“ zu antworten.

Im Abschnitt „Luxus & nochmal Luxus“, der sich offenbar an den betuchteren Einrichtungswilligen wendet, erfährt man folgendes: „Die Schubkastenunterteile – hier in edler Eiche anthrazit – folgen der grifflosen Philosophie von ‚Purion‘. Wer sie antippt, erlebt puren Luxus. Kurz mit dem Finger berührt, öffnet die Push-to-open-Technik eine geräumige Schublade. Kann man das noch steigern?“ Waaaahnsinn! Wenn man das Schubkastenunterteil antippt, öffnet sich die Schublade. Unglaublich! Das wäre wirklich nur zu toppen, wenn sich durch Berühren der Klinke eine Tür öffnen ließe! Luxus! Purer Luxus! Das sollte wirklich den Kastenoberteilen… falsch! … den Oberkasten-Teilen vorbehalten bleiben.

So. Altpapier wartet. Morgen wird geleert.

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